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Untersuchung der fabliaux-Handschriften mit dem Ziel, Anordnung und Text-Auswahl - und somit das Leseverhalten des Publikums - zu verstehen
Antragsteller
Professor Dr. Richard Trachsler
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 186064918
Mehr als 500 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks erachten wir es heute als selbstverständlich, dass ein Buch ein einziges Werk enthält und ein Werk einen einzelnen Band füllt. Wir kaufen im Buchhandel einen Kriminalroman, wie die Leser Flauberts sich Madame Bovary anschafften und wie man schon zuvor die Liaisons dangereuses oder Gargantua erwarb. Im Mittelalter, als die Verbreitung des Schrifttums über Manuskripte erfolgte, wurden jedoch meist mehrere Texte durch einen gemeinsamen Einband zu einem „Buch“ zusammengefasst, das somit die Form einer Textsammlung hat. In solchen Sammlungen begleiten sich die Texte gegenseitig, wobei ihre Nachbarschaft immer das einzelne Werk beeinflusst: Die Tatsache etwa, dass eine Heiligenlegende nach einem satirischen Stück zu lesen ist, bewirkt sinnschaffende Effekte, die in einem anderen Kontext nicht in derselben Form entstanden wären. Des Weiteren sind Auswahl und Nachbarschaft dieser Texte nicht immer das Resultat des Zufalls, sondern folgen spezifischen Ordnungen. Diese beiden Spezifika von Übertragung und Rezeption mittelalterlicher Literatur stehen im Zentrum der vorliegenden Untersuchung: Einerseits wird es um die semantischen Effekte dieser Praxis gehen, andererseits um die “Mechanismen”, die der Auswahl und der Zusammenstellung dieser Anthologien zugrunde liegen. Spiegeln sich in den Organisationssystemen dieser Sammelhandschriften auch jedes Mal individuelle Entscheidungen, sind sie doch abhängig von bestimmten allgemeineren Tendenzen und Sachzwängen. Die Untersuchung dieser Daten wird das Literaturverständnis zur Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks erhellen. Um dem Korpus Kohärenz zu verleihen und sich auf Material stützen zu können, das überhaupt „vergleichbar“ ist, soll hier auf fabliaux-Handschriften eingegangen werden. Diese fabliaux sind allesamt kurz und präsentieren sich deswegen beinahe ausschließlich in Sammelhandschriften, in Gesellschaft anderer Texte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Kanada, Schweiz
Beteiligte Personen
Dr. Olivier Collet; Professor Dr. Francis Gingras