Detailseite
Projekt Druckansicht

Untersuchung der fabliaux-Handschriften mit dem Ziel, Anordnung und Text-Auswahl - und somit das Leseverhalten des Publikums - zu verstehen

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 186064918
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Mittelalter, als die Verbreitung des Schrifttums über Manuskripte erfolgte, wurden meist mehrere Texte durch einen gemeinsamen Einband zu einem „Buch" zusammengefasst, das somit die Form einer Textsammlung hat. In solchen Sammlungen begleiten sich die Texte gegenseitig, wobei ihre Nachbarschaft immer das einzelne Werk beeinflusst: Die Tatsache etwa, dass eine Heiligenlegende nach einem satirischen Stück zu lesen ist, bewirkt sinnschaffende Effekte, die in einem anderen Kontext nicht in derselben Form entstanden wären. Des Weiteren sind Auswahl und Nachbarschaft dieser Texte nicht immer das Resultat des Zufalls, sondern folgen spezifischen Ordnungen. Diese Ordnungen sind hier anhand eines Korpus von fabliaux-Handschriften untersucht worden, das aus 43 Sammelhandschriften, die in Form, Umfang, Provenienz und Alter stark variieren, besteht. Dazu ist für jede der Handschriften eine Beschreibung erstellt worden, die in einer mit Filemaker erstellten Datenbank Informationen zu Schreibern, Texten, Lagen, Blättern usw. beinhaltet und kombinierte Abfragen zulässt. Insbesondere sind alle Informationen bezüglich Schreiber und Texten, nicht nur mit den Blättern, sondern mit den Lagen, der einzig kodikologisch relevanten Einheit, in Verbindung gesetzt. Eine Abfrage, die untersucht, wie Schreiberwechsel, Textende und Lagenende zusammenhängen, ergibt einen konstanten Befund: häufig steht ein längerer Text am Anfang einer Lage und die angefangene Lage - und nicht mehr als diese Lage - wird mit einem kurzen Text (manchmal sogar von einer zweiten Hand abgeschrieben) gefüllt. Der Organisationsschlüssel der Handschrift ist also kein thematisch-inhaltlicher, sondern ein quantitativer: der zur Verfügung stehende Platz in einer Lage wird mit Kurzgeschichten gefüllt. Diese an sich banale Erkenntnis - Pergament ist teuer und will genutzt sein - stellt eine ganze Reihe von über die letzten Jahrzehnte publizierten „Untersuchungen" in Frage, die ausschliesslich mit thematischen Ansätzen operierten, um zu erklären, warum z. B. auf einen langen didaktischen Text ein kurzer obszönes fabliau folgte. Es lässt sich aufgrund unserer Daten belegen, dass es methodisch diskutabel ist, ohne die Position eines Textes innerhalb der Lage zu kennen, über die Reihung von Texten in einer Sammelhandschrift zu spekulieren. Spiegeln sich in den Organisationssystemen dieser Sammelhandschriften auch jedes Mal individuelle Entscheidungen, sind diese doch abhängig von bestimmten allgemeineren Tendenzen und Sachzwängen. Eine zweite Fragestellung betrifft die Verbreitung und folglich die Verfügbarkeit eines Textes. Frappant ist die hohe Zahl von unica, d. h. von Texten, die nur in einer einzigen Handschrift überliefert sind. Texte, die häufiger überliefert sind, haben eine höhere Chance, weiter abgeschrieben zu werden und somit noch besser überliefert zu sein. Dieser Faktor konnte die Konzentration gewisser Texte in gewissen Regionen miterklären. Solche kontrastiven Studien zur Verbreitung von Texten könnten eine neue, materiell unterlegte und verifizierbare Basis für die Literaturgeschichtsschreibung bilden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Les centres de production des manuscrits vernaculaires au Moyen Age. Actes des journées d'études (24-25 octobre 2013), Paris, Classiques Garnier
    Gabriele Giannini et Francis Gingras (Hg.)
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15122/isbn.978-2-8124-4752-5)
  • «Les "manuscrits de fabliaux". Typologies et lieux de production en domaine anglo-normand», Les centres de production des manuscrits vernaculaires au Moyen Age. Actes des journées d'études (24-25 octobre 2013), ed. par Gabriele Giannini et Francis Gingras, Paris, Classiques Garnier
    Beatrice Barbieri
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15122/isbn.978-2-8124-4752-5.p.0019)
  • Lire en contexte: enquête sur les manuscrits de fabliaux, Eludes Françaises, 48, 3 (2012), 196 pp.
    Richard Trachsler [zusammen mit Olivier Collet u. Francis Gingras] (Hg.)
  • "Présentation", Lire en contexte: enquête sur les manuscrits de fabliaux. Etudes Françaises, 48, 3 (2012), pp. 5-9
    Richard Trachsler [mit Olivier Collet et Francis Gingras]
  • «Le contexte manuscrit du Lai du cor et la réception tardive des lais (avec une note sur Renart le Contrefait)», Lire en contexte: enquête sur les manuscrits de fabliaux. Etudes Françaises, 48, 3 (2012), pp. 115-25
    Beatrice Barbieri
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.7202/1015392ar)
  • «Conrad von Orell. Lecteur de fabliaux», Philologia ancilla Litteraturae. Mélanges de Philologie et de littérature françaises du Moyen Age offerts au professeur Gilles Eckard par ses collegues et anciens élèves, ed. par Alain Corbellari, Yan Greub et Marion Uhlig, Geneve-Neuchâtel 2013 (Recueil des travaux publiés par la Faculté des Lettres et Sciences humaines 57), pp. 253-63
    Richard Trachsler
  • «L'Arsenal 3114 et Ia production de manuscrits en langue vernaculaire dans Tancien diocese de Soissons (1260-1300 environ)», dans Gabriele Giannini et Francis Gingras (dir.), Les centres de producdon des manuscrits vernaculaires au Moyen Age. Actes des journées d'études (24-25 octobre 2013), Paris, Classiques Garnier
    Gabriele Giannini
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15122/isbn.978-2-8124-4752-5.p.0089)
  • «Poser les fondements : lieu, date et contexte (essai sur le recueil L.II.14 de Turin)», Études françaises (48/3), 2013, p. 11-31
    Gabriele Giannini
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.7202/1015388ar)
  • L'Etude des fabliaux apres le «Nouveau Recueil Complet des Fabliaux»., Paris, Classiques Garnier, 2014 (Rencontres 93. Secteur Moyen Age. Civilisation Médiévale 11), 288 pp.
    Richard Trachsler [zusammen mit Olivier Collet u. Fanny Maillet] (Hg.)
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15122/isbn.978-2-8124-3069-5)
  • «Les traductions allemandes des fabliaux », L'Étude des fabliaux apres le «Nouveau Recueil Complet des Fabliaux», ed. Olivier Collet, et al., Paris, Classiques Garnier, 2014 (Rencontres 93. Secteur Moyen Age. Civilisation Médiévale 11)
    Olaf Posmyk
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15122/isbn.978-2-8124-3069-5.p.0093)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung