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Einfluss der neurowissenschaften auf Sozial- und Geisteswissenschaften und dessen gesellschaftliche Folgen (Fokus: Neuroökonomie, Neuromarketing, Neurophilosophie)

Antragsteller Professor Dr. Thomas Metzinger, seit 10/2014
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 188498929
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt war Teil eines Verbundprojektes mit Projektpartnern in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Ziel des gesamten Projektes war es, eine Einschätzung und Bewertung der Einflüsse derjenigen Subdisziplinen der Neurowissenschaften, die sich mit dem individuellen Entscheidungsverhalten befassen, auf die europäischen Geistes- und Sozialwissenschaften zu erarbeiten. Dazu sollten die Interaktionen neuro- und sozialwissenschaftlicher Forschungen mittels Szientometrie und Bibliometrie sowie einer Analyse des Wissenstransfers von den Neurowissenschaften in einzelne geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen dargestellt werden. Das Teilprojekt konzentrierte sich auf die Bereiche Ethik und Neurophilosophie und dabei besonders auf die quantitative und inhaltliche Entwicklung des Forschungsfeldes „Neuroethik“ und dessen öffentliche Wahrnehmung in Deutschland. Die bibliometrische Analyse der Mainzer Neuroethik Datenbank konnte unter anderem die folgenden Hypothesen bestätigen: 1) Viele der Themen, die heute unter dem Etikett „Neuroethik“ diskutiert werden, sind deutlich älter sind als das Geburtsdatum des Forschungsfeldes. Zwar sind durch Fortschritte in der Neurotechnologie einige Themen hinzugekommen, neuartige philosophische oder ethische Debatten sind daraus allerdings nicht erwachsen. 2) Die Neuroethik repräsentiert aktuell ein thematisch wie auch methodologisch enorm weites Forschungsfeld, das von Fragen einer angewandten Ethik der Neurowissenschaften über moralpsychologische Erkenntnisse der kognitiven Neurowissenschaften bis hin zu metaethischen Debatten über die explanatorische Relevanz neurowissenschaftlicher Forschungen für „moralische“ Urteile reicht. 3) Die von Adina Roskies gezogene Unterscheidung zwischen einer Ethik der Neurowissenschaft und einer Neurowissenschaft der Ethik ist empirisch adäquat. Die bibliometrische Untersuchung zur inhaltlicher Verbindungen verschiedener Themenbereich zeigte, dass Themen, bei denen ethische Fragen des Umgangs mit Neurotechnologien oder neurologischen Erkrankungen im Vordergrund standen, wenig oder gar nicht mit solchen Themen in Verbindung stehen, bei denen empirische, neurowissenschaftliche Forschungen zum moralischen Verhalten zentral sind. Die Trennung dieser beiden Bereiche ließ sich auch auf der Ebene der wissenschaftlichen Akteure und auf der Ebene der verwendeten Publikationsorgane nachweisen. Eine ergänzende thematische Analyse des öffentlichen Diskurses über Neuroethik in den in den deutschen Printmedien ergab überdies: 1) Es gibt einen deutlichen Überhang an Zeitungsberichten zur Neuroethik in den Bereichen der Medizin- und Gesundheitsversorgung. 2) Wie auch im wissenschaftlichen Diskurs ließ sich eine Zunahme an Publikation zu neuroethischen Themen über den Untersuchungszeitraum beobachten. Allerdings verläuft diese bei den öffentlichen Medien plötzlich und sprunghaft. 3) Die öffentliche Berichterstattung zur entscheidungsbezogenen Neuroethik bezieht sich nur auf einen sehr begrenzten Bereich neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. An den Beispielen des „Belohnungssystems“ und der „neuronalen Plastizität“ konnte gezeigt werden, dass dieses Fachwissen im öffentlichen Diskurs nicht neutral ist. Vielmehr ist die Referenz darauf abhängig von argumentativen oder explanatorischen Interessen. Dabei fällt auf, dass im Unterschied zum wissenschaftlichen Diskurs der Neuroethik, im öffentlichen Bereich der Fokus stärker auf der Regulation des individuellen Verhaltens im Sinne einer Nutzenoptimierung liegt. Moralische Rechte und Pflichten werden in der medialen Öffentlichkeit erst dann relevant, wenn die Abweichung von gesellschaftlich akzeptiertem Verhalten auf der Grundlage neurologischer oder psychischer Störungen beschrieben wird.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016) "Zur geisteswissenschaftlichen Interpretation neurowissenschaftlicher Ergebnisse: Neuroimaging und Neuromarketing", in Nossek, A., Ach, Johann S., Lüttenberg, Beate (Hrsg.): Neuroimaging und Neuroökonomie – Grundlagen, ethische Fragestellungen, soziale und rechtliche Relevanz, Münsteraner Bioethik Studien: Münster, S. 67-78 (im Erscheinen)
    Hildt, Elisabeth
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15496/publikation-12774)
  • (2015): "Gehirn, Moral und Ethik – Wie ist der Zusammenhang?" Concilium 2015(4), 435-442 [veröffentlicht in englischer, deutscher, italienischer, kroatischer, portugiesischer und spanischer Sprache]
    Hildt, Elisabeth
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.14623/con.2015.4.435-442)
  • (2015): Kognitive Freiheit, gutes Leben und personale Identität - Ethische Fragen des pharmakologischen kognitiven Enhancement. In: Pharmakon 3/2015
    Leefmann, Jon; Pohl, Sabine; Hildt, Elisabeth
  • (2015): Selbstformung und die Suche nach Authentizität. In: Roland Kipke und Ruth Conrad (Hg.): Selbstformung. Beiträge zur wissenschaftlichen Aufklärung einer menschlichen Praxis. Münster, Mentis
    Leefmann, Jon
 
 

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