Religiöse Identitätspolitiken der Pfingstbewegung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt hat zunächst eine Bestandsaufnahme des religiösen Feldes realisiert in den beiden Ländern, die in Lateinamerika den größten Prozentsatz hochreligiöser Menschen als auch protestantischer Christen aufweisen. Die Untersuchung der religiösen Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen religiösen Organisationen vermittelte neue Erkenntnisse über die aktuellen Machtverhältnisse im religiösen Feld. Die Lokalisierung religiöser Organisationen im Modell der gesellschaftlichen Struktur hat deutlich gemacht, dass ehemals marginale Gruppierungen (obere Mittelschicht oder Unterschicht) in die gesellschaftliche Mittel gerückt sind und große Organisationen (etwa etablierte Pfingstkirchen) sich sozial stark ausdifferenzieren. Die qualitative Analyse der religiösen Überzeugungen (Habitūs) hat gezeigt, dass diese Entwicklung ebenfalls eine Modifizierung von Glaubenshaltungen und religiösen sowie nicht-religiösen Handlungsweisen mit sich bringt. Dies hat zur Folge, dass religiöse Stile sich über die Grenzen kirchlich-institutioneller Grenzen hinweg neu formieren. Unter der Voraussetzung der starken Bedeutung religiöser Überzeugungen für soziales und politisches Handeln in der Bevölkerung heißt dies auch, dass der religiöse Kampf um die gesellschaftliche Mitte immer wieder in einen Kampf um politische Machtpositionen transformiert wird. Dabei wird – einem Regimeunterschied geschuldet – in Nicaragua Religion politisch kooptiert, in Guatemala Politik religiös. Zu den Überraschungen zählen: Bleibende Dominanz der Katholischen Kirche im religiösen Feld entgegen der herrschenden Tendenz in der wissenschaftlichen Darstellung. (Hohe öffentliche Glaubwürdigkeit, katholisches Revival und charismatische Mobilisierung.) - Konsolidierung eines post-denominationalen Mainstreams in Gestalt von neopentekostalen Organisationen hoher Glaubwürdigkeit in der Mitte der Gesellschaft bei gleichzeitiger schichtenspezifischer Ausdifferenzierung der religiösen Habitūs in eben dieser religiösen Bewegung. Kirchen- und religionsübergreifende sozio-religiöse Dispositionen: Religiöses Gesetz als normative Orientierung für die Öffentlichkeit – in Konkurrenz zu korrumpierten politischen Ordnungen; die Kleinfamilie als entscheidender sozialintegrativer Operator, insbesondere im Blick auf die Jugend und auf ökonomische Stabilität. - Funktion des Mainstream-Pentekostalismus im Sinne von coaching in allen alltags- und berufsrelevanten Lebensbereichen. Gesellschaftliche Breite der Maya-Revitalisierung zwischen ländlich-indigener Traditionsreligion und Mobilisierung urbaner intellektueller Mittelschicht bei gleichzeitiger Kooperation mit der katholischen Basisbewegung. - Grad der politischen Kooptation von unterschiedlichsten religiösen Akteuren in Nicaragua. Schäfer, Heinrich Wilhelm; Tobias Reu; Adrián Tovar Simoncic: „Macht und Ohnmacht des Heiligen Geistes.“ In: Forschung (Deutsche Forschungsgemeinschaft), 3/2012: 20-23. „Power, Powerlessness and the Holy Spirit.” In: German Research (German Research Foundation), 1/2013: 12-15.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- 2013. “Cambios En El Campo Religioso de Guatemala y Nicaragua: 1985 a 2013.” Sendas. Instituto de Investigaciones del Hecho Religioso 1 (1): 11–32
Schäfer, Heinrich Wilhelm; Tobias Reu; Adrián Tovar Simoncic
- Art.: „Protestantismus in Lateinamerika, 19. und 20. Jahrhundert”. In: Gesellschaft für Überseegeschichte (ed.): Lexikon zur Überseegeschichte. Stuttgart: Steiner, Hiery; 2015
Schäfer, Heinrich Wilhelm
- „Mission inverted: inter-American religious flows and how to capture them.“ In: Maryemma Graham/Wilfried Raussert (ed.): Entangled and Mobile America(s). Routledge, 12.05.2016. Kap. 11, S. 203-244
Schäfer, Heinrich Wilhelm
- „Teuflische Konflikte: religiöse Akteure und Transzendenz In: Ines-Jacqueline Werkner (Hrsg.) Religion in der Friedens- und Konfliktforschung, Interdisziplinäre Zugänge zu einem multidimensionalen Begriff. Nomos, 1. Auflage 2016, ISBN print: 978-3-8487-2455-0. - Seite 294 - 333. (Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung, Sonderheft 1 Religion und Konflikt)
Schäfer, Heinrich Wilhelm
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.5771/9783845266145-294)