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"Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser" - Überlegungen zu einem anspruchsvollen Vertrauensbegriff in den IB

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 191476275
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Vertrauen gilt als Voraussetzung anspruchsvoller und risikobehafteter Kooperation; Vertrauen erleichtert Transaktionen, indem es aufwendiges Kontrollverhalten obsolet werden lässt; und es gilt als sozialer Kit, der zum Zusammenhalt von Gesellschaften beiträgt. Wie in anderen Disziplinen auch erlebt das Vertrauenskonzept in den Internationalen Beziehungen in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit. Allerdings blieb Vertrauen als Konzept für lange Zeit sowohl ontologisch unterspezifiziert, als auch empirisch nur vage gemessen und analysiert. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die Forschung zu Vertrauen als zwischenstaatlichem Phänomen weiterentwickelt, indem zu dessen Konzeptualisierung, Operationalisierung, Theoretisierung und Erklärung signifikante Beiträge geleistet wurden. Im Rahmen der konzeptionellen Arbeiten entwickelte die Forschergruppe ein Konzept zwischenstaatlichen Vertrauens, dass sich von unterspezifizierten rationalistischen Vertrauensverständnissen deutlich abgrenzt und auf die Erfassung eines Kollektivphänomens auf der Ebene zwischenstaatlicher Interaktion abzielt. Das entwickelte Konzept betont somit, dass zwischenstaatliches Vertrauen mehr ist als individuelles Vertrauen zwischen Entscheidungsträgern. Somit kann unser Konzept kollektiven zwischenstaatlichen Vertrauens auch der empirischen Tatsache Rechnung tragen, dass starkes Vertrauen, wie es etwa in den deutsch-französischen Beziehungen vorherrscht, auch über Regierungswechsel hinweg oftmals weitgehend unbeschadet bestehen bleibt. Im Rahmen unserer messtheoretischen Überlegungen lag der Fokus auf der Entwicklung eines diskursbasierten, textanalytischen Indikators zu Erfassung kollektiver Vertrauenserwartungen eines Staats A in einen Staat B, dessen Regierung, oder einzelner Regierungsvertreter. Dieser Indikator wurde für die Erfassung der deutsch-amerikanischen Vertrauensdynamiken zwischen 2001 und 2014 implementiert und produzierte dabei wichtige Einblicke hinsichtlich der Interaktion zwischen kollektivem Vertrauen in einzelne Präsidenten und den USA als Ganzes. Unsere Daten zeigen dabei, dass beide Vertrauenstypen eher unabhängig voneinander über Zeit variieren. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu etablierten Vertrauenstheorien, die die bedeutsame Rolle wichtiger Repräsentanten für das Vertrauen in Gesamtkollektive betonen. Unsere Messungen leisten somit einen empirischen Beitrag zur Verfeinerung bestehender ontologischer Theorien kollektiven Vertrauens. Neben dem diskursbasierten Messinstrument wurde im Rahmen des Projekts auch der Tatsache Rechnung getragen, dass Vertrauen als Konzept stark an die Forschungen zu Sicherheitsgemeinschaften, stabilem Frieden, und zwischenstaatlicher Freundschaft geknüpft ist. Innerhalb dieser Forschungsprogramme wird Frieden meist als qualitativ mehrstufiges Konzept begriffen, und dementsprechend war es unser Ziel, einen quantitativen Indikator zur Erfassung dieser Stufen zu entwickeln. Bereits existierende Konzepte erscheinen uns dabei ontologisch überladen, da sie konstitutive Dimensionen enthalten, die eher als unabhängige Variable begriffen werden sollten. Dementsprechend sparsam ist der Indikator zweidimensional angelegt und erfasst lediglich die Qualität zwischenstaatlicher Erwartungen (Misstrauen/Neutralität/Vertrauen) und zwischenstaatlichen Verhaltens (Militarisierung/keine Interaktion/Kooperation) anhand eines dispute-density und treaty-density-Ansatzes. Der Indikator wurde für mehr als 100 Dyaden für den Zeitraum 1945-2001 implementiert. Neben der konzeptionellen und messtheoretischen Arbeiten wurde auch ein Beitrag zur Weiterentwicklung existierender Vertrauensbildungstheorien geleistet, wobei ein gesonderter Fokus auf die Rolle von Sicherheitsinstitutionen fiel. Dabei wurde sowohl auf etablierte kognitive und sozio-emotionale Lerntheorien als auch auf die jüngere und innovative konstruktivistische Vertrauensliteratur zurückgegriffen. Auf dieser Basis wurde ein theoretisches Modell formuliert, welches betont, dass Lernprozesse nur dann vertrauensbildend wirken, wenn sie in einem vertrauens-symbolisierenden institutionellen Rahmen stattfinden. Vor diesem Hintergrund leiten wir die These ab, dass institutionalisierten Allianzen ein stark vertrauensbildendendes Potential innewohnt, während klassische Sicherheitsmanagementinstitutionen wie CBMs und Rüstungskontrollregime eher dazu neigen, misstrauensvolle Repräsentationen zu reproduzieren. Diese theoretischen Erwartungen werden derzeit noch empirisch getestet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): Trust as a Discourse. Concept and Measurement Strategy – First Results from a Study on German Trust in the USA. In: Journal of Trust Research 5 (1), S. 78–100
    Brugger, Philipp
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/21515581.2015.1011164)
  • (2016): Do We Need a World State? The Prospects of Multi-level Global Governance for the Organization of Peace in the 21 Century, in: Justenhoven, Heinz-Gerhard/ Kreβ, Claus/ O’Connell, Mary Ellen (Hrsg.): Peace through Law: Can Humanity Overcome War? Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 143-167
    Hasenclever, Andreas; Schramm, Annette
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783845259611-143)
  • (2016): With a Little Help from Our Institutions: French-German Security Relations after 1945. In: Carmela Lutmar und Benjamin Miller (Hg.): Regional Peacemaking and Conflict Resolution. Abingdon, New York: Routledge, S. 45–65
    Hasenclever, Andreas; Kasten, Lukas
  • (2017): Trust Among International Organizations. In: Joachim A. Koops und Rafael Biermann (Hg.): Palgrave Handbook of Inter-Organizational Relations in World Politics. London: Palgrave Macmillan UK, S. 407–426
    Brugger, Philipp; Hasenclever, Andreas; Kasten, Lukas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1057/978-1-137-36039-7_19)
  • (2017): When Less Is More. Constructing a Parsimonious Concept of Interstate Peace for Quantitative Analysis. In: International Studies Review 19 (1), S. 28–52
    Kasten, Lukas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/isr/vix002)
  • (2018): Trustful Behaviour is Meaningful Behaviour: Implications for Theory on Identification-based Trusting Relations, in: Journal of Trust Research 8 (1), 103-119
    Kasten, Lukas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/21515581.2018.1479967)
  • (2019): The Erosion of German Elite Trust in the United States of America, in: German Politics 28 (4), 521-540
    Brugger, Philipp
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/09644008.2019.1594785)
 
 

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