"Trust, don't verify" - Towards a theory of strong trust in International Relations
Final Report Abstract
Vertrauen gilt als Voraussetzung anspruchsvoller und risikobehafteter Kooperation; Vertrauen erleichtert Transaktionen, indem es aufwendiges Kontrollverhalten obsolet werden lässt; und es gilt als sozialer Kit, der zum Zusammenhalt von Gesellschaften beiträgt. Wie in anderen Disziplinen auch erlebt das Vertrauenskonzept in den Internationalen Beziehungen in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit. Allerdings blieb Vertrauen als Konzept für lange Zeit sowohl ontologisch unterspezifiziert, als auch empirisch nur vage gemessen und analysiert. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die Forschung zu Vertrauen als zwischenstaatlichem Phänomen weiterentwickelt, indem zu dessen Konzeptualisierung, Operationalisierung, Theoretisierung und Erklärung signifikante Beiträge geleistet wurden. Im Rahmen der konzeptionellen Arbeiten entwickelte die Forschergruppe ein Konzept zwischenstaatlichen Vertrauens, dass sich von unterspezifizierten rationalistischen Vertrauensverständnissen deutlich abgrenzt und auf die Erfassung eines Kollektivphänomens auf der Ebene zwischenstaatlicher Interaktion abzielt. Das entwickelte Konzept betont somit, dass zwischenstaatliches Vertrauen mehr ist als individuelles Vertrauen zwischen Entscheidungsträgern. Somit kann unser Konzept kollektiven zwischenstaatlichen Vertrauens auch der empirischen Tatsache Rechnung tragen, dass starkes Vertrauen, wie es etwa in den deutsch-französischen Beziehungen vorherrscht, auch über Regierungswechsel hinweg oftmals weitgehend unbeschadet bestehen bleibt. Im Rahmen unserer messtheoretischen Überlegungen lag der Fokus auf der Entwicklung eines diskursbasierten, textanalytischen Indikators zu Erfassung kollektiver Vertrauenserwartungen eines Staats A in einen Staat B, dessen Regierung, oder einzelner Regierungsvertreter. Dieser Indikator wurde für die Erfassung der deutsch-amerikanischen Vertrauensdynamiken zwischen 2001 und 2014 implementiert und produzierte dabei wichtige Einblicke hinsichtlich der Interaktion zwischen kollektivem Vertrauen in einzelne Präsidenten und den USA als Ganzes. Unsere Daten zeigen dabei, dass beide Vertrauenstypen eher unabhängig voneinander über Zeit variieren. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu etablierten Vertrauenstheorien, die die bedeutsame Rolle wichtiger Repräsentanten für das Vertrauen in Gesamtkollektive betonen. Unsere Messungen leisten somit einen empirischen Beitrag zur Verfeinerung bestehender ontologischer Theorien kollektiven Vertrauens. Neben dem diskursbasierten Messinstrument wurde im Rahmen des Projekts auch der Tatsache Rechnung getragen, dass Vertrauen als Konzept stark an die Forschungen zu Sicherheitsgemeinschaften, stabilem Frieden, und zwischenstaatlicher Freundschaft geknüpft ist. Innerhalb dieser Forschungsprogramme wird Frieden meist als qualitativ mehrstufiges Konzept begriffen, und dementsprechend war es unser Ziel, einen quantitativen Indikator zur Erfassung dieser Stufen zu entwickeln. Bereits existierende Konzepte erscheinen uns dabei ontologisch überladen, da sie konstitutive Dimensionen enthalten, die eher als unabhängige Variable begriffen werden sollten. Dementsprechend sparsam ist der Indikator zweidimensional angelegt und erfasst lediglich die Qualität zwischenstaatlicher Erwartungen (Misstrauen/Neutralität/Vertrauen) und zwischenstaatlichen Verhaltens (Militarisierung/keine Interaktion/Kooperation) anhand eines dispute-density und treaty-density-Ansatzes. Der Indikator wurde für mehr als 100 Dyaden für den Zeitraum 1945-2001 implementiert. Neben der konzeptionellen und messtheoretischen Arbeiten wurde auch ein Beitrag zur Weiterentwicklung existierender Vertrauensbildungstheorien geleistet, wobei ein gesonderter Fokus auf die Rolle von Sicherheitsinstitutionen fiel. Dabei wurde sowohl auf etablierte kognitive und sozio-emotionale Lerntheorien als auch auf die jüngere und innovative konstruktivistische Vertrauensliteratur zurückgegriffen. Auf dieser Basis wurde ein theoretisches Modell formuliert, welches betont, dass Lernprozesse nur dann vertrauensbildend wirken, wenn sie in einem vertrauens-symbolisierenden institutionellen Rahmen stattfinden. Vor diesem Hintergrund leiten wir die These ab, dass institutionalisierten Allianzen ein stark vertrauensbildendendes Potential innewohnt, während klassische Sicherheitsmanagementinstitutionen wie CBMs und Rüstungskontrollregime eher dazu neigen, misstrauensvolle Repräsentationen zu reproduzieren. Diese theoretischen Erwartungen werden derzeit noch empirisch getestet.
Publications
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