Analyse der mittelfristigen Auswirkungen der Verkürzung der Gymnasialschulzeit um ein Jahr
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt hat die Auswirkungen der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von 13 auf 12 Jahre (G8-Reform) empirisch untersucht. Im Fokus standen dabei die Reformwirkungen auf die nachschulischen Bildungswege und den Berufseinstieg. Zu diesem Zweck wurde ein einzigartiger Paneldatensatz mit drei Erhebungswellen erstellt. Die Abiturientinnen und Abiturienten des Doppelabiturjahrgangs 2007 in Sachsen-Anhalt (aus 12 ausgewählten Schulen) wurden in drei Befragungswellen 2009, 2011 und 2014 zu ihrem familiären Hintergrund, zu ihren schulischen Erfahrungen und Ergebnissen, zu ihren Tätigkeiten und eingeschlagenen Bildungswegen nach dem Abitur, zum Verlauf ihres Studiums bzw. ihrer Berufsausbildung und, sofern zutreffend, zu ihren beruflichen Tätigkeiten befragt. An den drei Erhebungswellen haben jeweils 806, 602 und 662 Personen teilgenommen. Der Datensatz wurde umfangreich auf Repräsentativität, Panelmortalität und Stichprobenselektion geprüft. Auf Basis dieses Datensatzes wurden mehrere Untersuchungen durchgeführt, die auf einer Vielzahl von Konferenzen und Workshops vorgestellt und diskutiert wurden und zum Teil auch bereits veröffentlicht sind (bzw. sich noch im Veröffentlichungsprozess befinden). Ergänzend wurde eine weitere Untersuchung auf Basis eines deutschlandweiten Datensatzes durchgeführt (mit ähnlichen Ergebnissen). Die wesentliche Erkenntnis aus diesen Untersuchungen besteht darin, dass Reformeffekte insbesondere am Ende der Gymnasialschulzeit und am Übergang in die nachschulische Bildung festzustellen sind. So haben sich die Leistungen in der schriftlichen Abiturprüfung in Mathematik um etwa einen Notenpunkt verschlechtert (im Fach Deutsch ist jedoch keine Veränderung feststellbar). Außerdem hat die Reform dazu geführt, dass etwa 10% mehr Abiturientinnen die Aufnahme eines Studiums verzögern und stattdessen zunächst eine Berufsausbildung, einen Freiwilligendienst oder ein Auslandsjahr absolvieren, bevor sie ein Hochschulstudium beginnen. Im weiteren Verlauf des Bildungs- und Berufsweges sind aber kaum noch Auswirkungen der Reform zu sehen. Abiturientinnen und Abiturienten mit 12-jährigem Abitur weisen eine ähnliche Studierfähigkeit und Studienmotivation auf, brechen ihr Studium nicht signifikant häufiger ab und erzielen ähnliche Abschlussnoten wie Personen mit 13-jährigem Abitur. Sie steigen zu ähnlichen Zeitpunkten in den Beruf ein und üben Berufe mit sehr ähnlichen Eigenschaften auf. Es lassen sich allenfalls kleinere Unterschiede in einzelnen Studien- und Jobmerkmalen feststellen, diese sind aber als moderat einzuordnen und weisen zudem kein klares Bild auf. Insgesamt zeigen die im Forschungsprojekt durchgeführten Arbeiten, dass das Ziel der Reform einer effizienteren Nutzung des Humankapitals junger Menschen und eines früheren Berufseinstiegs weitgehend als erreicht angesehen werden kann. Die ermittelten Reformeffekte weisen aber auch auf einzelne Verbesserungsbedarfe und Verbesserungspotenziale hin, die von Seiten der bildungspolitischen Akteure adressiert werden sollten. Damit haben die im Projekt erzielten Ergebnisse zu einem besseren Verständnis über die Bedeutung der Länge und Intensität der Schulzeit beigetragen (wissenschaftlicher Beitrag). Darüber hinaus fanden sie in den letzten Jahren auch einige Resonanz in Presse und Medien, so dass durch die Bereitstellung empirischer Evidenz für die öffentliche Debatte um die G8-Reform (die z.T. immer noch anhält) auch ein gesellschaftlicher Beitrag geleistet werden konnte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2019) New Evidence on the Effects of the Shortened School Duration in the German States: An Evaluation of Post-secondary Education Decisions. German Economic Review 20 (4) e201-e253
Meyer, Tobias; Schneider, Heidrun; Thomsen, Stephan L.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/geer.12162) - (2012): Effekte des Turbo-Abiturs: Leistungen in Mathematik schlechter, weniger Einschreibungen in den Naturwissenschaften, niw info spezial 2/2012, NIW Hannover
Meyer, Tobias, Hendrik Thiel und Stephan Thomsen
- (2014): Variation of learning intensity in late adolescence and the effect on personality traits, Journal of the Royal Statistical Society, Series A, 177(4): 861-892
Thiel, Hendrik, Stephan Thomsen und Bettina Büttner
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/rssa.12079) - (2015): Are We Spending Too Many Years in School? Causal Evidence of the Impact of Shortening Secondary School Duration, German Economic Review, 16(1): 65-86
Büttner, Bettina und Stephan Thomsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/geer.12038) - (2015): Personality Traits and Economic Outcomes – Models and Measurement, with Two Empirical Applications, Dissertation, Leibniz Universität Hannover
Thiel, Hendrik
- (2015): Schneller fertig, aber weniger Freizeit? – Eine Evaluation der Wirkungen der verkürzten Gymnasialschulzeit auf die außerschulischen Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler, Schmollers Jahrbuch, 135(3): 249-277
Meyer, Tobias und Stephan Thomsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.3790/schm.135.3.249) - (2015): The impacts of shortening secondary school duration, IZA World of Labor 2015: 166
Thomsen, Stephan
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.15185/izawol.166) - (2016): An Evaluation of the Shortened High School Duration in Germany and its Impact on Postsecondary Education and Labor Market Entry, Dissertation, Leibniz Universität Hannover
Meyer, Tobias
- (2016): How Important Is Secondary School Duration for Postsecondary Education Decisions? Evidence from a Natural Experiment, Journal of Human Capital, 10(1): 67-108
Meyer, Tobias und Stephan Thomsen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1086/684017) - (2018): The role of high-school duration for university students' motivation, abilities and achievements, Education Economics, 26(1): 24-45
Meyer, Tobias und Stephan Thomsen
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1080/09645292.2017.1351525)