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Regenwaldzerstörung in Regionen peripherer Staatlichkeit: Umweltbeziehungen, Machtkonfigurationen und Handlungsstrategien lokaler Akteure in Amazonien

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2011 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 192678131
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In Amazonien treiben SiedlerInnen, indigene Gemeinschaften, GroßgrundbesitzerInnen, Firmen, NGOs und Regierungsinstitutionen einen Interessenskampf um Ausbeutung und Schutz des Amazonaswaldes. Dieser findet – so die ursprüngliche Ausgangsthese dieses Projektes – an den Grenzen der Durchsetzung staatlicher Kontrolle in vergleichsweise peripheren Regionen des Staates statt. Die Untersuchungsregion am unteren Amazonas/Tapajós zeichnet sich insbesondere durch die Technisierung der Landwirtschaft, die Transformation von Primärwald in landwirtschaftliche Nutzflächen sowie einen massiven Produktionsanstieg aus. Zentral ist hierbei das Vordringen der Sojafront, welche auf die internationale Nachfrage nach hochwertigem Viehfutter sowie auf komparative Vorteile bei den Bodenpreisen in der Amazonasregion, den staatlich geförderten (Aus-) Bau von Transportinfrastruktur wie der BR-163 und den Überseehäfen von Santarém (Pier des internationalen Getreidehändlers Cargill) sowie Miritituba zurückzuführen ist. Durch die vordringende Agrargrenze entstehen Konflikte zwischen Umweltbehörden, lokaler kleinbäuerlicher Bevölkerung und Soja-FarmerInnen aus dem Süden Brasiliens, die extensive Feldbewirtschaftung in die Amazonasregion eingeführt haben. Gleichzeitig werden KleinbäuerInnen verdrängt. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen deutlich, dass ein Blick auf regionale AkteurInnen nicht ausreichend und die These des absenten Staates nicht haltbar ist. Vielmehr sind auch nationale und internationale Unternehmen an diesen Entwicklungen beteiligt; z.B. beim Bau von Häfen, Überlandstraßen oder Wasserkraftwerken, als Importfirmen oder als Exporteure von Agrarerzeugnissen (Soja, Fleisch) und anderen Rohstoffen. Der Staat ist bei der Transformation des Amazonasgebietes und des Tropenwaldes ein zentraler Akteur. Er etabliert insbesondere durch die Instrumente der Raumplanung, der (Re-)Definition von Schutzgebieten, des Umweltmonitorings, der Landreform sowie durch Wirtschaftsförderprogramme die Grundlagen der aktuellen Transformationsdynamiken. Die staatliche Politik und Praxis im Hinblick auf die Region unterer Amazonas/Tapajós realisiert sich dabei in Hinsicht auf zwei in Widerspruch stehende Pole: der Integration und wirtschaftlichen Entwicklung des Gebietes auf der einen und dem Schutz der Umwelt, insbesondere Tropenwald und von Teilen seiner BewohnerInnen auf der anderen Seite. Die zentrale These ist, dass sich die Aneignung von Regenwald am unteren Amazonas/Tapajós nicht am Rande des Staates, sondern durch die Umwandlung von Zugangs- und Verfügungsrechten mittels staatlicher Raumplanung, sowie durch die (Re- )Klassifizierung und Etikettierung von Territorien vollzieht. Staatliche Sozial- und Umweltschutzprogramme de- und re-territorialisieren lokale (indigene und nicht-indigene) Bevölkerung durch die Einordnung in Verwaltungskategorien und ermöglichen so die zunehmende Umwandlung der von ihnen kontrollierten Territorien und Ressourcen. Der Staat ist also selbst ein zentraler Akteur, der widersprüchliche Zielsetzungen im Spannungsfeld zwischen „Integration des Amazonasgebietes“ und Umweltschutz festschreibt, institutionalisiert und fördert. AkteurInnen und Allianzen konstituieren sich vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen in der Verfolgung ihrer Interessen neu. Dabei steht nicht nur die Aneignung von Tropenwald im Zentrum, sondern die Appropriation öffentlicher Mittel, staatlicher Programme (z.B. Sozialprogramme) und rechtlich-territorialer Institutionen. Dabei versuchen AkteurInnen und Allianzen strategisch Rechtsvorschriften zu manipulieren und zu umgehen um ihre Ziele durchzusetzen. Ziel ist angesichts widersprüchlicher staatlicher Richtlinien die Durchsetzung und Legalisierung von den eigenen Interessen dienenden Richtlinien und Praktiken. Diese Prozesse führen schließlich zur Einführung neuer und zur Legitimation vormals rechtswidriger Praktiken, die in engem Zusammenhang mit lokalem Schutz und Zerstörung von Regenwald stehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012): “Farmers’ decisions concerning the rainforest in land reform settlements in the Brazilian Amazon: To deforest or not to deforest, that is the question!” In: Conference proceedings of the Tropentag 2012, Göttingen
    Karin M. Naase
 
 

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