Zeitgenössische amerikanische Spinoff-Romane: Kanonrevision und Rückkehr der US-amerikanischen Vergangenheit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projekts war es, Erkenntnisse hinsichtlich der Rolle von spinoff-Romanen in Prozessen kultureller Sinnstiftung zu erschließen und sie als zeitgenössisches Genre in die literatur- und kulturwissenschaftliche Diskussion einzubringen. Das unmittelbare Erkenntnisinteresse der Arbeit lag dabei in der kulturellen Arbeit, die spinoffs auf der individuellen Textebene durch ihre "Heimsuchung" der literarischen Vergangenheit und ihr historisches setting im 19. Jahrhundert leisten: die Art und Weise, wie sich spinoff-Romane über gesellschaftlich wirkmächtige Diskurse und Narrative in die kulturelle Imagination einschalten und versuchen, diese weiterzuentwickeln. Da der kulturellen Dimension von Intertextualität durch bestehende Intertextualitätstheorien nur unzureichend Rechnung getragen wird, entwickelt das Projekt darüber hinaus ein Modell von Intertextualität, das für eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Literaturwissenschaft geeignet erscheint. Eingebettet wird dieses textspezifische Erkenntnisinteresse aber auch in Überlegungen, wie sich das Genre über formale Merkmale und Strukturen in gesellschaftliche Diskussionen um geistiges Eigentum, kulturelles Kapital und kulturelle Definitionsmacht einschaltet und dazu beiträgt, gesellschaftliche Rahmenbedingungen für kreatives Schaffen auszuhandeln. Dies wird durch die Nähe der Romane zu "basisdemokratischen" Versuchen, Kultur zum frei verfügbaren Allgemeingut werden zu lassen, besonders deutlich (Stichwort participatory culture). In den Textanalysen wird gezeigt, dass die ausgewählten spinoffs auf äußerst komplexe Weise mit den Prä-Texten und mit ihnen verbundenen kulturellen Diskursen in Dialog treten. Indem sie unterschiedliche kulturelle Imaginäre/imaginäre Räume einander gegenüberstellen und in ihren Diskrepanzen und Gemeinsamkeiten für den Leser/die Leserin erfahrbar machen, können spinoffs in der Auseinandersetzung mit wirkmächtigen kulturellen Diskursen und Narrativen etwas leisten, was über die Wirkung theoretischer Herangehensweisen hinausgeht. Eine solche Erfahrbarkeit von Differenz hat gegenüber kognitiven Einsichten den Vorteil, dass sie grundlegender auf Erfahrungs- und Sinnstiftungsmuster des Lesers/der Leserin einzuwirken vermag, denn das Imaginäre ist über die Fiktion mindestens genauso zugänglich wie über die wissenschaftliche Argumentation. Ihr Interesse an Narrativen, die die imagined community (Anderson) konstituieren, und an Prozessen der Re-Imagination und Re-Narration, deutet aber auch einen ethical und communal turn an, den die diskutierten Romane verfolgen. Dieser drückt sich auf formaler und inhaltlicher Ebene v. a. durch die gemeinschaftskonstituierende Rolle aus, die literarischen Texten und Akten des Erzählens zugeschrieben wird: Spinoffs stehen als Genre für eine Gemeinschaft von Texten, stellen aber auch Gemeinschaften dar, die sich über narrative Praktiken konstituieren und für die solche Praktiken überlebenswichtig sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"Literary Spinoffs", Ernst-August-Universität Göttingen, 15. Mai 2012
Birgit Spengler
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"Rewriting Moby-Dick: Imagining the Community through Melville and Naslund." Society for the Study of American Women Writers Conference, Denver, 12. Oktober 2012
Birgit Spengler