Verwaltungsalltag: Die Generierung von Wissen in der Planungs- und Umweltverwaltung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Es muss festgehalten werden, dass die Diskussion zu Wissensordnungen noch heterogen verläuft. Während Reckwitz mit dem Begriff der Wissensordnung eher Deutungsmuster, kulturelle Codes oder Bündelungen von Wissensformen assoziiert, die einen Akteur erst in die Lage versetzen, die Wirklichkeit kognitiv-symbolisch zu organisieren, betonen andere eher den regulativen oder regelnden Charakter der Wissensordnung. Böschen wiederum differenziert zwischen Wissenskulturen (Dimension der Hervorbringung), Ordnung (Wissensordnung) und Gestaltung (Wissenspolitik). Alles zusammen bildet ein Wissensregime. Vorläufig kann aber als gemeinsame Position festgehalten werden, dass Wissensordnungen sowohl den Rahmen als auch das Ergebnis von Aushandlungsprozessen über die Definitionsmacht und die Legitimität von Wissensansprüchen darstellen. Eine weitere Gemeinsamkeit dürfte in der Positionierung im Gefüge der Institutionentheorien bestehen. Gemäß Reckwitz (2004) bilden Wissensordnungen kognitiv-konstitutive Regeln im Gegensatz zu regulativen Regeln, wie wir sie bspw. mit dem soziologischen Institutionalismus verbinden. Während letztere die möglichen Handlungsoptionen eines Akteurs einschränken, indem sie eine Logik der Angemessenheit und somit Sollens-Regeln vorgeben, legen die konstitutiven Regeln fest, wie sich Akteure die Welt erschließen und mit Bedeutung versehen. Wissensordnungen gewinnen damit einen Charakter als nicht-entscheidbare Entscheidungsprämissen. Welchen Vorteil hat das Konzept der Wissensordnungen gegenüber etablierten Konzepten wie Frames, belief systems, Diskurs, Ideensystem etc.? Es erlaubt eine mehrdimensionale Betrachtung und legt den Fokus auf die Modalitäten der Hervorbringung, der Zirkulation, der Reproduktion von Wissen und nicht so sehr auf die Ideen selbst. Hier hat die ältere Forschung zu Ideen nur näherungsweise Licht ins Dunkel gebracht, da meist nur Kontextbedingungen benannt wurden, Ideen oder Ideensysteme statisch gesehen wurden. Auffällig ist, dass auf der lokalen Ebene die gradgenaue Prognose der Erderwärmung kaum mehr Interesse findet. Der Klimawandel ist bspw. in Frankfurt ein akzeptiertes Faktum. Das Wissen darüber ist ubiquitär vorhanden und wird nicht mehr in Frage gestellt, ist also gelebte Selbstverständlichkeit, auch wenn sinnliche Erfahrungen meist fehlen. Dieses allgemeine Wissen über den Klimawandel hat seinen expertokratischen Charakter längst verloren und ist in Frankfurt genauso wie in München Bestandteil eines politischen Alltagswissens geworden (also des Wissens, auf das Politiker regelmäßig rekurrieren). Die Unsicherheit über die Folgen und das Ausmaß des Klimawandels ist hier einer stabilen Alltagsprognostik gewichen. Zu den Besonderheiten der lokalen Klimapolitik zählt, dass die Verwaltung selbst als Produzent und Manager von Wissen (zumindest in den größeren Stadtverwaltungen) auftritt, während die Wissenschaft den exklusiven Anspruch auf die Produktion gültigen Wissens weitgehend verloren hat. Anwendungskontext und Wissensgenerierung sind eng miteinander verschränkt oder umgekehrt: die frühere Annahme von getrennten Sphären der (wissenschaftlichen) Wissensproduktion und der praktischen Anwendung dieses wissenschaftlichen Wissens kann nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Verwaltung hat eigene Prognostiken im Hinblick auf den Klimawandel entwickelt, sich diesbezüglich professionalisiert und führt eigene Prüfoperationen im Hinblick auf die Verwendbarkeit von Wissen durch. Diese Prognostiken sind zum Teil explizit und erheben den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, zum Teil aber auch nicht. Die wissensbezogenen Governance-Strukturen auf der lokalen Ebene werden im Gegensatz zur globalen Klimapolitik kaum explizit gemacht und sind, so scheint es, in die Routinen und Alltagspraktiken der Verwaltungen eingelassen. Es geht aber auch hier um die Sicherung von Ansprüchen der Objektivität, um die Demonstration von komplexen Sachverhalten und die Prozeduren der Validierung. Mit der Thematisierung lokaler Wissensordnungen verband sich die Hypothese, dass Städte stabile und sich reproduzierende Muster der Problemwahrnehmung und Problembewältigung entwickeln, die sich in Form von Wissensordnungen verfestigen. Im Zuge unseres vergleichenden Vorhabens konnte dies bestätigt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2013: Online-Tools zur Generierung handlungsrelevanten Wissens in der Stadtentwicklung – partizipatorische Verfahren und Verwaltungsalltag, in: Planung-neu-denken
Weber, M.
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Kommunalverwaltung und Klimawandel – Wissensgenerierung, Framing, und die Erzeugung von Handlungsfähigkeit, in: Der moderne Staat, 2/2014, S. 289-309
Boghrat, J.; Weber, M.; Zimmermann, K.; Lamping, W.
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2015: The epistemologies of local climate change policies in Germany, in: Urban Research & Practice, special issue 2015
Zimmermann, K.; Weber, M.;; Boghrat, J.