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Szenarien als kognitive Orientierungsmuster in Technikgenese und Technikgestaltung (SKOTT)

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2011 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 197694903
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projektes war es, die handlungsleitende Wirksamkeit technikbezogener Situationsszenarien in Prozessen der Technikentwicklung und Technikgestaltung zu untersuchen. Situationsszenarien sind imaginierte Darstellungen der zukünftigen Nutzung vorgestellter neue Techniken. Sie buchstabieren mehr oder weniger detailliert aus, wie die Komponenten der vorgestellten zukünftigen Situation aussehen und zusammenwirken würden, in der die neue Technik zum Einsatz käme. Das Projekt wurde als qualitativ empirische Studie geplant und durchgeführt. Hauptsächlicher Gegenstand der Untersuchung waren Prozesse der Technikentwicklung im Technologiefeld des Ubiquitous Computing. Dieses Technologiefeld eignet sich für die Erforschung der Projektfragestellung deshalb besonders gut, weil Situationsszenarien dort von Anfang an fester Bestandteil der Artikulation von Zukunftsvorstellungen waren. Hatten wir zunächst geplant, einzelne Entwicklungsprojekte zu beforschen, so stellte sich während der empirischen Erhebungen heraus, dass eine andere Falleinheit viel relevanter ist: In der Regel ist es die an einem Forschungslabor oder von einem Forschungsteam durchgeführte Sukzession thematisch miteinander verbundener Entwicklungsprojekte, innerhalb derer die uns interessierenden Situationsszenarien ihren sozialen Ort haben und ihre Wirksamkeit entfalten. Auf diese Falleinheit bezogen entwickelten wir ein recht aufwändiges Verfahren der Fallrekonstruktion und -analyse, das im Kern darauf beruht, komplementäre Aussagegehalte miteinander zu verbinden, die sich aus von uns durchgeführten Experteninterviews und aus Projektpublikationen der beforschten Forschungsteams gewinnen ließen. In unseren Fallstudien konnten wir überzeugende empirische Belege dafür finden, dass Situationsszenarien in kognitiver Hinsicht einen entwicklungs- und konstruktionsleitenden Einfluss auf die konkreten Prozesse der Technikentwicklung ausüben und ein idealtypisches Muster rekonstruieren, wie dies geschieht. Des Weiteren konnten wir den Mechanismus der entwicklungsleitenden Wirksamkeit von Situationsszenarien näher beschreiben. Er besteht darin, dass die Grundstruktur von Situationsszenarien – Darstellungen, die für vorgestellte zukünftige Technologien in vorgestellten zukünftigen Anwendungszusammenhängen beschreiben, wie die einbezogenen Komponenten miteinander interagieren würden – zu einer Verringerung der Freiheitsgrade bei der Konstruktion des Szenarios führt. So generiert ein Szenario aus der Festlegung anwendungsseitiger Faktoren Anforderungen an technische Komponenten (technikgerichtete Orientierungswirkung) und aus der Festlegung von Eigenschaften und Verhaltensweisen technischer Komponenten Anforderungen an Komponenten des Nutzungszusammenhanges (anwendungsgerichtete Orientierungswirkung). Ein überraschendes und unvorhergesehenes Projektergebnis ist die zentrale Bedeutung von Prototypszenarien für die Projektfragestellung. Die von uns so bezeichnete Manifestation von Situationsszenarien transformiert die narrative Form in eine physisch realisierte. Prototypszenarien bestehen aus dem Prototyp der avisierten neuen Technologie und einem Testbed, das wesentliche Aspekte des avisierten Nutzungszusammenhanges im Labor prototypisch realisiert. Der Mechanismus der entwicklungsleitenden Orientierung durch Verringerung von Freiheitsgraden ist bei Prototypszenarien noch viel wirkungsvoller als bei narrativen Szenarien. Zudem erweisen Protoptypszenarien sich deutlich ausgeprägter noch als die narrative Form von Situationsszenarien als Arenen der Aushandlung zwischen der Gegenwart und vorgestellten Zukünften. Insbesondere an diesen Befund könnten zukünftige Forschungen zur Rolle von Situationsszenarien für die prospektive Technikgestaltung und zur Rolle von Situationsszenarien in der weiteren Technikentwicklung vom Prototypen zur gesellschaftliche genutzten Technik anknüpfen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2013). Scenarios as Patterns of Orientation in Technology Development and Technology Assessment. Outline of a Research Program. Science, Technology & Innovation Studies, 9(1), 23-44
    Schulz-Schaeffer, I.
  • (2015). How Situational Scenarios Guide Technology Development – Some Insights from Research on Ubiquitous Computing. In D. M. Bowman et al. (Hrsg.), Practices of Innovation and Responsibility: Insights from Methods, Governance and Action (S. 165-179). Berlin: Akademische Verlagsgesellschaft
    Schulz-Schaeffer, I., & Meister, M.
  • (2016). Prototype Scenarios and the Making of the Future in the Engineers’ Laboratories. ASA 2016 Annual Meeting Paper. American Sociological Association
    Schulz-Schaeffer, I., & Meister, M.
  • (2017). Laboratory settings as built anticipations – prototype scenarios as negotiation arenas between the present and imagined futures. Journal of Responsible Innovation, 4(2), 197-216
    Schulz-Schaeffer, I., & Meister, M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/23299460.2017.1326260)
  • (2018). Prototype scenarios as negotiation arenas between the present and imagined futures. Representation and negotiation power in constructing new socio-technical configurations. In A. Grunwald et al. (Hrsg.), Socio‐technical futures shaping the present. Empirical examples and analytical challenges in social studies of science and technology and technology assessment. Wiesbaden: Springer VS
    Schulz-Schaeffer, I., & Meister, M.
 
 

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