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Die Ordnung des Infektiösen. Transformation bakteriologischen Wissens durch die Literatur der Moderne 1880-1930

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 197720253
 
Das Projekt erschließt einen neuen Wissenskontext des Literatursystems um 1900: unsichtbare Mikroben als Ursache zahlreicher Volksseuchen. Ihre sensationelle Entdeckung führt ab 1880 zur völligen Neudefinition von Krankheit. Epochaler Wissenswandel in der Medizin und literarischer Modernisierungsprozess sind hier besonders eng verzahnt. In Laboratorien sucht man nach jenen mikroskopischen Lebewesen, die in den menschlichen Körper eindringen und zersetzende Infektionen wie Tuberkulose, Cholera, Syphilis auslösen. Zeitgleich widmet sich das Literatursystem intensiv dem „Ich“, dessen bislang unbezweifelte Souveränität und Kohärenz in Frage stehen. Das Spektrum der literarischen Subjektkritik reicht vom mentalen Zerfall bis zum ekelerregenden Körper, den Infektionskrankheiten zerstören. Entsprechend groß ist das Interesse vieler Literaten an bakteriologischen Themen und Metaphern: Von Wilhelm Bölsche und Ibsen über Karl Kraus, Fritz Mauthner und Thomas Mann bis zur „Sturm“-Avantgarde nehmen Intellektuelle der Umbruchsepoche „Moderne“ am medizinhistorischen Umbruch der Keimtheorie teil. Auf dieser Basis sollen folgende Fragen beantwortet werden: 1. Welche bazillären Metaphern und Narrative dienen der Literatur des Naturalismus und Nachnaturalismus zum Aufbau erzählter Welten oder zur Verbildlichung der Subjektproblematik? 2. Auf welche Weise wird bakteriologisches Wissen ( vor allem durch Erzählliteratur ) in Kollektivsymbole transformiert, die die Paranoia des Irrationalen, Schmutzigen und Fremden kennzeichnen? 3. Wie wird die Ausweitung der Bakteriologie ins Politische und Ideologische in literarischen Texten reflektiert, reproduziert oder unterlaufen? Ziel der Studie ist es, einen Beitrag zu einer „Medizingeschichte der Literatur“ zu leisten: Mit dem neuen Wissenskontext werden zusätzliche Interpretationsebenen für Texte der Moderne erschlossen; es soll deutlich werden, dass der Mikroben- und Ansteckungsdiskurs tief in die Ideengeschichte der Epoche hineinreicht.
DFG-Verfahren Forschungsstipendien
Internationaler Bezug Großbritannien
 
 

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