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Entwicklung und Evaluation zweier Therapiemanuale für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen über 65 Jahre: 'Exposure in vivo` und `Graded-activity`- Vorstudie zu einer Interventionsstudie

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2011 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 202536471
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projektes war die Entwicklung zweier standardisierter und an die Altersgruppe der über 65-Jährigen angepassten Therapie-Manuale für den ambulanten Bereich zur aktivierenden Behandlung älterer chronischer Rückenschmerzpatienten. Der Therapiefokus sollte dabei auf der Funktionsverbesserung und dem Erhalt der Selbstständigkeit im Alter liegen, trotz vorhandener Schmerzen. Grundlage bildeten die beiden im mittleren Erwachsenenalter etablierten Therapieansätze Exposition-in-vivo (EXP) bzw. Graded-Activity (GA), die beide eine psychologische Modellfundierung haben. Expositions-orientierte Therapie nutzt bei Patienten, bei denen sich aufgrund katastrophisierender Bewertungen beim Schmerzerleben Angst vor Schmerz und körperlicher Aktivität entwickelt hat, eine Konfrontation (in vivo) mit den spezifischen angstauslösenden Reizen/Bewegungen zum Abbau des Vermeidungsverhaltens. Bei Graded-Activity wird anhand der in Tests ermittelten aktuellen Leistungsfähigkeit des Patienten leistungs- anstatt schmerzgesteuert trainiert, wobei das Training kontinuierlich gesteigert wird. Für beide Therapieverfahren wurden mit Unterstützung internationaler Experten Manuale für Therapeuten und Patienten entwickelt, die alterstypische Einschränkungen, Sturzängste und Multimorbidität berücksichtigen und von geschulten Physiotherapeuten ambulant durchgeführt werden können. Gemeinsam sind beiden Therapieverfahren die Ergänzung um edukative Bestandteile unter gesundheitspsychologischen Aspekten zur schmerz- und aktivitätsbezogenen Aufklärung und eigenständigen Weiterführung von aktivierenden Übungen zum Erhalt der Selbstständigkeit im Alter. Zur Überprüfung der praktischen Anwendbarkeit der Manuale, und um Hinweise auf mögliche Effekte für die Stichprobenkalkulation nachfolgender Effektivitätsstudien zu erlangen, wurden beide Manuale von jeweils 3 Therapeuten mit 16 Patienten je Therapiemethode erprobt. In den inhaltsanalytisch ausgewerteten Interviews äußerten sich die Patienten überwiegend sehr positiv über die Therapie und die erzielten Ergebnisse. Hervorgehoben wurden u.a. die Bedeutung von Informationsvermittlung zu Rückenschmerz und Aktivität (EXP+GA), sowie die Arbeit mit der fotobasierten Skala AMIKA (EXP) zu Diagnostik- und Therapiezwecken. Der Wunsch zu Aktivität ist gestiegen (GA) und es bestand weniger Angst und mehr Mut bei Aktivitäten (EXP). Für die Therapeuten der expositionsorientierten Physiotherapie war das Arbeiten nach diesem Konzept zunächst herausfordernd, im Verlauf fühlten sie sich zunehmend sicherer. Hier äußerten die Physiotherapeuten weiteren Schulungsbedarf in kommunikativen Aspekten. Die kurzzeitigen quantitativen Ergebnisse der Pilotstudie zeigen bislang gute bis sehr gute Effekte hinsichtlich Funktionsverbesserung (EXP: 17% und GA: 20%). Durch die expositionsorientierte Therapie konnte das Vermeidungsverhalten stärker reduziert werden als in der Graded-Activity Therapie, wobei es auch hier zur Verringerung kam, ebenso wie zu einer Verringerung der Katastrophisierung in beiden Gruppen. Die Wirkmechanismen müssen hier weiter geklärt werden. Nicht ausreichend scheint die niedrigschwellige monodiszplinäre Therapie bei deutlichen psycho-sozialen Komorbiditäten bzw. ausgeprägtem bio-mechanischen Krankheitsmodell. Zwar ist diese Hypothese noch zu verifizieren, jedoch könnten hier Schnittstellen zur Sekundärversorgungsebene bestehen und zukünftig benannt werden. Mit den in diesem Projekt entwickelten und pilotierten Manualen EXP- bzw. GA-Physiotherapie stehen zwei standardisierte theoretisch-fundierte Therapieverfahren zur Verfügung, die speziell auf die Anforderungen älterer - auch multimorbider - chronischer Rückenschmerzpatienten ausgerichtet wurden. Evaluiert werden muss zukünftig die mittelbis langfristige Wirksamkeit, weiterhin stellt die Zuweisung der individuell passenden Therapieart derzeit eine große Herausforderung dar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Angst vor Bewegungsschmerz: Neues zu Bewegungsangst und Schmerzangst im Rahmen des Fear-Avoidance-Modells, Deutscher Schmerzkongress, Mannheim, 18.-20.10.2012. Der Schmerz 2012 [Suppl 1]; 26:42-43
    Schuessler N, Laekeman M, Leonhardt C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00482-012-1245-2)
  • Körperlich-aktivierende Therapiekonzepte bei Rückenschmerzen im Alter – eine systematische Literaturübersicht. 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Rostock: 20.-22.09.2012. Z Allg Med 2012; 88: 52
    Kuss K, Becker A, Quint S., Leonhardt C
  • Angst vor Schmerzen: Theoretische Modelle, Diagnostik und neue Behandlungsmöglichkeiten über die Lebensspanne. Deutscher Schmerzkongress, Hamburg: 23.-26.10.2013. Der Schmerz 2013 [Suppl 1] 27:9
    Hechler T, Riecke J, Leonhardt C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00482-013-1364-4)
  • Expositionsorientierte Physiotherapie bei älteren Rückenschmerzpatienten – Manualentwicklung und Pilotstudie, 8. Workshopkongress der DGPs Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Trier: 09.-11.05.2013. Trierer Psychologische Berichte, Band 38, Heft 1, S.67-68. ISSN 1619-3970
    Leonhardt C, Kuss K, Becker, A & Quint S
  • Körperlich-aktivierende Therapie älterer Rückenschmerzpatienten: STÄP – Ergebnisse einer Pilotstudie, 47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), München: 12.-14.09.2013. Abstractband S. 96
    Becker A., Leonhardt C, Kuss K, Quint S
 
 

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