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Tod und Auferstehung der Nation: Pantheon in der tschechischen Literatur und Kultur

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2012 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 203213784
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt setzte sich mit der Rolle von literarischen, graphischen und architektonischen Pantheons bei der Konstruktion, Mobilisierung und symbolischen Konstituierung der Nation auseinander und fasste die Resultate in einer Monographie zusammen. Das Interesse gilt darin neben den realisierten Pantheons auch deren Entwürfen, Fragmenten und Verwandlungen ihrer Form und ihres Inhalts. Diese Variation macht deutlich, dass und wie Traditionen erfunden und verhandelt werden. In Bezug auf die damals mehrsprachigen böhmischen Länder wird gezeigt, dass sprachnationalen transethnische Pantheons vorausgingen, damit konkurrierten und in diese schließlich verwandelt wurden. Die architektonischen Pantheons werden dabei formal und funktional einerseits zu Denkmälern und Begräbnispraktiken, andererseits zu literarischen und graphischen Pantheons in Relation gesetzt. Die literarischen Pantheons kann man etwa in den Sammlungen von Biographien erkennen, die durch ihre Bezeichnung, Komposition und Funktion mit den architektonischen Pantheons aufs Engste verbunden sind. So kann man das Pantheon als ein medienübergreifendes und dadurch nachhaltig wirkendes Genre verstehen, dessen Stil- und Inhaltswandel sich mit der Zeit in allen Medien vollzieht. Aus den Sammlungen von Biographien ist die nationale, biographisch orientierte Literaturgeschichte hervorgegangen, die die Großen der nationalen Literatur kanonisierte und für die Schulbücher zur Komemoration aufbereitete. Vor allem in den illustrierten Übersichtsdarstellungen der nationalen Literaturgeschichte wird auch der Bezug der Literaturgeschichte zu nationalen Begräbnissen und Denkmälern hergestellt. Autoren dieser Übersichtsdarstellungen halten ihre Werke gar für einen Ersatz von fehlenden oder ungenügenden Pantheonbauten. Der Titel der aus dem Projekt hervorgegangenen Monographie "Tod und Auferstehung eine Nation: Traum vom Pantheon in der tschechischen Literatur und Kultur" evoziert den Wiedergeburtsmythos der tschechischen Sprache, Literatur und Nation, der im 19. Jahrhundert in der Begräbnis- und Erinnerungspraxis in Bezug auf die Großen der Nation aufgegriffen und darin personifiziert und konkretisiert wurde und dadurch zur emotionalen Mobilisierung der nationalen Öffentlichkeit beitrug. Zugleich weist der Titel mit "einer" darauf hin, dass solche Repräsentationen und Praktiken und Erinnerungsräume und Erinnerungsträume auch außerhalb der tschechischen Kultur wirksam sind, was die Einbindung des tschechischen Pantheon in europäische Kontexte und Diskurse unterstreicht. Das Projekt stellt einen Beitrag zur Nationalismusforschung, Theorie der Repräsentation, Literaturgeschichtsschreibung und zu Erinnerungskulturen dar. Methodologisch ist das kulturund literaturwissenschaftliches Projekt im Kontext der Kultursemiotik, des New Historicism und der Kritischen Historiographie verortet, bei der Diskussion der kollektiven Narrative und ihrer Funktion bezieht es sich auch auf die Theorie des kulturellen Gedächtnisses. Die Analyse des öffentlichen Diskurses, in dem Werte- und Personenpantheons besprochen und entworfen werden, geht methodisch von der Diskursanalyse aus, wendet sich aber auch Theorien der Öffentlichkeit und des öffentlichen Raumes zu. Die Herausbildung der nationalen Öffentlichkeit versteht es im kultursemiotischen Sinne als Resultat der Verhandlung und Verwandlung des Nationalen in Pantheons in Wort, Bild und Stein sowie in Metatexten, die sich darauf beziehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Prague Funerals: How Czech National Symbols Conquered and Defended Public Space. In: J. Buckler, E. Johnson (eds.), Rites of Place: Public Commemoration in Russia and Eastern Europe. Evanston/Illinois: Northwestern UP, 2013, 35-57
    Marek Nekula
  • Sprachideologie, Sprachplanung und Sprachpraxis im Schriftstellerverein Svatobor. In: K.-H. Ehlers, M. Nekula, M. Niedhammer, H. Scheuringer (eds.), Sprache, Gesellschaft und Nation in Ostmitteleuropa: Institutionalisierung und Alltagspraxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014, 13-32
    Marek Nekula
  • Ein Romantiker außerhalb Prags? Franz Zacharias Römischs Felsen-Pantheon in Kleinskal. - In: brücken - Germanistisches Jahrbuch Tschechien - Slowakei für das Jahr 2014 (Romantik in Böhmen) N.F. 26 (2015), 297-313
    Marek Nekula
  • Tod und Auferstehung einer Nation: Der Traum vom Pantheon in der tschechischen Literatur und Kultur. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2017. 726 S. - 9783412223960
    Marek Nekula
  • Imaginationen Prags in der modernen tschechischen Literatur: Julius Zeyer, Jiří Karásek ze Lvovic und Miloš Marten. In: Manfred Weinberg, Irina Wutsdorff, Štěpán Zbytovský (Hgg.), Prager Moderne(n): Interkulturelle Perspektiven auf Raum, Identität und Literatur. Bielefeld: transcript, 2018, 255-274
    Marek Nekula
 
 

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