Grenze und Verbindung: Umwallung und Durchlässe der Stadtmauer von Resafa als Zeichen des Wandels der Stadtorganisation (6.-13. Jh.)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die politische Entwicklung in Syrien während der Projektlaufzeit (ab 2012) hat die ursprüngliche methodische Planung, basierend auf Ausgrabungen und Beprobungen, verhindert und machte alternative Ansätze der Forschung notwendig. Mit den vorhandenen Dokumentationsmaterialien (heterogene Vermessungsdaten, Publikationsmaterial und Archivpläne) wurde ein digitales Geländemodell (DGM) des Wall-Graben- Systems und des Areals intra muros erstellt. Intensive Bemühungen flossen in den Bau eines Terrain-treuen CAD-Modells der Stadtmauer (Ergebnisse I), welches dadurch in das DGM integriert werden konnte. Aus dem kombinierten Gesamtmodell wurden schließlich Geländeprofile erstellt (Faltplan) und ausgewertet. Durch dieses Modell kann jedoch nur die Oberfläche abgebildet werden. Es fehlen die Profilinformationen, welche die Ausgrabungen hätten erbringen sollen. Auf Grund der geometrischen Disposition der Elemente des Erdwerks und der Stadtmauer zueinander sowie der Phänomenologie der Böschungen lassen sich jedoch wichtige Aussagen zur ursprünglichen Form und damit zur intendierten Funktion des Wallgraben-Systems treffen (Ergebnisse II). Demnach besteht kaum Zweifel daran, dass entlang der Westseite, sowie ein Stück weit um die Ecken herum, zuerst nur ein Deichwall als Bestandteil der wasserbautechnischen Anlagen westlich der Stadt zur Stauung des Wadi as-Saila errichtet wurde. Die drei anderen Seiten blieben anfangs sicher noch ohne Vorwerk. Dies entspricht den Erkenntnissen aus dem vorangegangenen DFG-Förderprojekt, wonach in der ersten Ausführungsetappe der Stadtmauer, in der ein Musterbau errichtet wurde, eine repräsentative Befestigungsanlage mit achtungsgebietender Fernwirkung – gewiss ohne Wall – konzipiert war. Die auch in anderen Aspekten allzu arglose erste Planung musste jedoch bald nach Baubeginn korrigiert werden, wie im Zuge der Untersuchung der Stadtmauer im Detail herausgearbeitet wurde. Manche der als notwendig erkannten wehrtechnischen Ertüchtigungen (Ersatz der feuergefährdeten Holzbalkendecken und offenbar auch das Vorwerk) konnten jedoch, wohl aus arbeitsorganisatorischen und/oder Aufwandsgründen, nicht sofort umgesetzt werden. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass ein Verteidigungszwecken dienendes Wall-Grabensystem um die restlichen drei Seiten der Stadtmauer trotzdem noch während des Bauprozesses vorgesehen war, sind die Ausfallpforten, die es wiederum nur ausschließlich außerhalb des Musterbaus gibt. Eine nachträglich unbeholfen eingeflicke Ausfallöffnung am Wasserdurchlass, der wie der Musterbau zum Zeitpunkt des Umdenkens bereits im Bau war, zeugt von der Konzeptanpassung. Antike und spätantike Militärhandbücher, welche dem Leser die taktische Rolle von Vorwerken vermitteln, betonen das enge Zusammenwirken von Ausfallpforten und den vorgelagerten Schutzsystemen. Die in Resafa vorhandenen Ausfallpforten lassen den sicheren Schluss zu, dass auch hier in der zweiten Bauetappe ein Vorwerk vorgesehen war. Dieses wurde, wenn man historische Vergleiche heranzieht, wahrscheinlich unter Kaiser Justinian I (r. 527–565 n. Chr.) verwirklicht. Auch wenn die andere aufwendige Nachrüstung der Stadtmauer betrachtet wird, nämlich die Ausstattung aller Türme mit Gewölben (Ergebnisse III), verdichten sich die Indizien für eine Ausführung des Vorwerks in dieser Zeit. Die feststellbaren bautechnischen Parallelen zu den besser datierten Gewölben in Zenobia lassen kaum Zweifel daran, dass in Resafa die Turmgewölbe vor der Mitte des 6. Jhs. entstanden. Die Wiedereröffnung der Großbaustelle mit den Arbeiten an den Gewölben und am Wall-Grabensystem kann womöglich der Grund für die bei Prokop anzutreffende Bemerkung sein, Justinian habe die Stadtmauer und die Wasserstauanlagen initial erbaut. In den Militärhandbüchern lassen sich weiterhin Anweisungen dazu finden, wie mit den Zugangswegen zu den Toren der Städte durch die Vorwerke hindurch umzugehen war. Manche sollten für den notwendigen Warenverkehr in direkter Linie befahrbar sein, während andere aber den verteidigungstechnischen Maßgaben unterzuordnen und in gewundener Linie zu führen waren. Damit ergibt sich die Schlussfolgerung, dass zunächst kein Tor im Zusammenhang mit der Aufschüttung des Walls aufgegeben worden sein muss. Die anfangs im Bedrohungsfall gewiss nur temporäre, schlussendlich aber doch endgültige Vermauerung der Tore, bei denen schließlich nur noch die mittlere Durchfahrt des Nordtores offen blieb erfolgte sicher sukzessive. Jüngste Forschungen zur Basilika C mit ihrer in die Osttorstraße hinein ausladenden Vorhalle deuten darauf hin, dass das Osttor zugunsten des nahe gelegenen Nebentores relativ früh aufgegeben wurde. Zusammen mit der Aufgabe der beiden Westtore, – alle drei nicht zuletzt wegen ihres ohnehin kaum vorhandenen verkehrstechnischen Nutzens – wurde die Ostwest-Magistrale der Stadt stillgelegt. Eine solche für unser heutiges Empfinden teilweise abgeriegelte Situation der Stadt wurde offenkundig zu keiner Zeit als zu negativ empfunden und der Verkehr richtete sich ein. Den tiefen Radspuren nach wurde das östliche Nebentor lange intensiv genutzt. Zusammen mit dem Nordtor und dem südliche Nebentor bildeten diese drei wohl die am längsten funktionierenden Einfahrten, bis am ende nur noch das Nordtor offen blieb.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Building Conversion as Demanding Task in Late Roman Construction. Adding Vaults to the Towers of the Sixth Century City Wall of Resafa (Syria), in: B. Bowen u.a. (Hrsg.), Proceedings of the Fifth International Congress on Construction History, Palmer House in Chicago, June 3rd–7th, (Chicago 2015) 303–312
C. Hof
- Spurenverfolgung zu den Wölbformen und Gerüsttechniken an den Stadtmauern von Resafa und Zenobia (Syrien), in: D. Kurapkat – U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Werkspuren. Materialverarbeitung und handwerkliches Wissen im antiken Bauwesen. Internationales Kolloquium Berlin 13.–16. Mai 2015, veranstaltet vom Architekturreferat des DAI, DiskAB 12
C. Hof
- The Late Roman City Wall of Resafa/Sergiupolis (Syria). Its Evolution and Functional Transition from Representative over Protective to Concealing, in: R. Frederiksen u.a. (Hrsg.), Focus on Fortification. New Research on Fortification in the Ancient Mediterranean and the Near East. Conference 6–9 December 2012 at the Danish Institute at Athens, Monographs of the Danish Institute at Athens 18 (Oxford 2016) 397–412
C. Hof