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Nutzung von Öffnungsoptionen im Bildungssystem - ein binationaler Vergleich zwischen der Schweiz und Deutschland

Fachliche Zuordnung Allgemeines und fachbezogenes Lehren und Lernen
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 209738116
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Schulsysteme sind durch Übergänge gegliedert, an denen Lernende einen Lernort (z.B. Schultyp) verlassen und in anschließende Bildungsangebote übertreten. Der Übergang von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II (auch „postobligatorische Ausbildung“ genannt) ist in vielerlei Hinsicht besonders bedeutsam, weil hier individuelle Berufsbiografien vorstrukturiert werden können. Dabei sind eine Reihe unterschiedlicher theoretischer Perspektiven relevant. Während also aus berufswahltheoretischer Sicht darauf verwiesen wird, dass beim Übertritt in postobligatorische Ausbildungen insbesondere Faktoren wie das individuelle Interesse oder die persönliche Anstrengung bedeutsam sind, liegen gleichzeitig Befunde zur sozialen Selektivität der Einmündung in unterschiedliche postobligatorische Ausbildungssegmente und Ausbildungen vor. Darüber hinaus ist dieser Übergang in unterschiedlichen Schulsystemen strukturell und institutionell unterschiedlich konzipiert. So variiert beispielsweise die Anzahl der Anschlussangebote zwischen einzelnen Ausbildungssystemen erheblich und der Grad der Durchlässigkeit zwischen oder innerhalb der einzelnen Angebote ist unterschiedlich ausgeprägt. Das Forschungsprojekt "Die Nutzung von Öffnungsoptionen in Bildungssystemen - ein binationaler Vergleich zwischen der Schweiz und Deutschland/Transitions In Different Educational Systems" (TIDES) nahm diese unterschiedlichen Perspektiven auf und untersuchte sie anhand der Kantone Freiburg (CH; hier nur die deutschsprachigen Schulen), Basel-Stadt (CH) sowie Baden-Württemberg (Deutschland). Das Projekt verfolgte primär drei Ziele: Erstens wurde das Ausmaß des Öffnungsgrads in den drei Schulsystemen beschrieben, zweitens die Effekte sozialer Disparitäten beim Übergang in postobligatorische Ausbildungsgänge untersucht sowie drittens die Bedeutung der von den Lernenden eingebrachten Anstrengungsinvestition bzw. deren Interessenprofile betrachtet. Zum ersten Messzeitpunkt am Ende der 9. Jahrgangsstufe wurden insgesamt N = 3321 Schülerinnen und Schüler befragt. Von diesen waren N = 2054 in der Schweiz (Kanton Basel-Stadt und Freiburg), N = 1267 in Deutschland (Bundesland Baden-Württemberg) angesiedelt. Erhoben wurden mithilfe von standardisierten Kompetenztests die Leistungen in zentralen Domänen (Mathematik, Lesefähigkeit, Naturwissenschaften und erste Fremdsprache). Darüber hinaus wurde unter anderem die Motivation, die Anstrengungsbereitschaft, mehrere Persönlichkeitsmaße, Interessen sowie Übertrittserwartungen erfasst. Zwei Nacherhebungen erfolgten jeweils in einem Abstand von 10 Monaten. Auf Basis der Daten sowie der bereits bestehenden Literatur wurde ein Theoriemodell der Durchlässigkeit entwickelt, das zwischen potenzieller bzw. realisierter Durchlässigkeit unterscheidet. Eine potenziell vertikale oder horizontale Durchlässigkeit umfasst neben allen Ausbildungsangeboten eines Bildungssystems sämtliche Merkmale, welche die Nutzung der Durchlässigkeit regulieren. Die realisierte Durchlässigkeit bezeichnet alle vollzogenen Bildungsbewegungen, umfasst also Bildungsmobilität als Maß der Nutzung bestehender Anschlussoptionen. Zusätzlich nimmt die Modellierung Bildungsentscheidungen vermittelnd zwischen der potentiellen und realisierten Durchlässigkeit auf. Die Analysen zu sozialen Disparitäten deuten darauf hin, dass in Basel-Stadt kein spezifischer Einfluss der familiären Herkunft existiert, wohingegen für Deutschfreiburg und Baden-Württemberg ein solcher nachgewiesen werden konnte. Die Befunde verweisen in Deutschfreiburg und Baden-Württemberg zudem auf sekundäre Herkunftseffekte bei Bildungsaufstiegen beim Übertritt. In Basel-Stadt zeigten sich bei diesem Übertritt ebenfalls keine Herkunftseffekte. Für die dritte Fragestellung wurde untersucht, inwieweit der Einfluss des sozioökonomischen Status auf den Übergang in die postobligatorische Ausbildung durch die schulische Anstrengungsbereitschaft in den Fächern Deutsch und Mathematik moderiert bzw. mediiert wird. Wie erwartet, hing die Anstrengungsbereitschaft in allen Stichproben signifikant mit dem sozioökonomischen Status zusammen. Die Analyse aller drei Standorte zeigte jedoch, dass lediglich in Deutschfreiburg und dort auch nur für das Fach Deutsch ein Einfluss der Anstrengungsbereitschaft auf die Übertrittserwartung vorlag. Weitere Analysen sollen diese Erkenntnisse ergänzen und erweitern. Besonderer Fokus wird dabei auf die Rolle von individuellen Merkmalen, wie den Interessensprofilen oder Persönlichkeitseigenschaften beim Übertritt von der obligatorischen in die postobligatorische Ausbildung sein. Die bisherigen Erkenntnisse geben Hinweise auf die strukturelle Gestaltung dieses Übertritts und ergänzen das theoretische und empirische Wissen im Hinblick auf den Einfluss des familiären Hintergrunds in Abhängigkeit des Schulsystems.

 
 

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