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Klima-Landschaft-Fauna-Mensch: Wirkung von Klimaveränderungen und Mensch auf die Entwicklung von Fauna und Urlandschaft im Holozän des Europäischen Tieflands

Antragsteller Professor Dr. Tim Diekötter, seit 6/2016
Fachliche Zuordnung Paläontologie
Förderung Förderung von 2012 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 213783996
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel dieses Projektes war die Entschlüsselung der Dynamik bedeutender Huftierarten der Megafauna sowie des Hasen als Indikatoren für Landschaftszustände bzw. die Offenheit der holozänen Urlandschaft in der Nord-Mitteleuropäischen Tiefebene mit Schwerpunkt des Ostseeraums. In dem Zusammenspiel von Umweltfaktoren sollten Einflüsse des Klimas und der Ausbreitung des Menschen in der Mittel- und Jungsteinzeit auf diese Dynamik aufgezeigt werden. Dabei wurde die Häufigkeit und Dominanz von Arten anhand des subfossilen Knochenfundguts aus steinzeitlichen Siedlungen untersucht. Daneben dienten Isotopenwerte aus den Knochen der Indikatorarten (13C und 15N) als Proxydaten für Änderungen des holozänen Landschaftszustands. Zusätzlich wurden die Landschaftsoffenheit und das Klima mit verschiedenen Methoden rekonstruiert bzw. simuliert und auf diese Weise das Zusammenspiel von Klima, Landschaft, Fauna und der Ausbreitung des Menschen über die Zeit untersucht. Insgesamt wurden 261 archäologische Siedlungsplätze mit einem Wildtierknochenfundgut von mindestens vierzig Knochen aus der Zeit zwischen 9.600-2.000 cal BC ausgewertet. Der Rothirsch ist über den gesamten Zeitraum hinweg das häufigste Element im Knochenfundgut von Wildsäugetieren und seine Dynamik zeigt auch keine statistischen Unterschiede über die Zeit. Ganz anders der Elch, der mit der zunehmenden Bewaldung im Verlauf des frühen- und mittleren Holozäns seltener auftritt, mit zunehmender Landschaftsoffenheit im Neolithikum ab 3.700 cal BC aber wieder häufiger wird. Das Muster des Rehs, als Bewohner der Waldrandzone und Profiteur von Offenland, zeigte entgegen den Erwartungen, sogar einen Rückgang im Neolithikum. Die Dominanz des Wildschweins, als vorrangiges Waldtier, nimmt dagegen vom frühen- bis mittleren Holozän deutlich zu und stellt im Atlantikum ca. 20% des Knochenfundguts, was deutlich für die aktuelle durch Daten gestützte Vorstellung einer relativ dichten Bewaldung der holozänen Urlandschaft im Atlantikum spricht. Das Wildpferd zeigt ein klares Muster der Verbreitung in der noch offeneren Landschaft im Früholozän, eine nahezu Abwesenheit im Atlantikum (bei einer Landschaftsoffenheit von nur 10-15 %) und einer sehr deutlichen Zunahme während zunehmender Landschaftsöffnung durch den jungsteinzeitlichen Menschen. Anders als alle anderen Arten der Megafauna war der Wisent in der Steinzeit extrem selten und zeigt keinerlei Habitatbindung. Bei den Isotopenanalysen konnte aus insgesamt 273 Knochenproben 180 Proben mit geeigneter Kollagenerhaltung ausgewertet werden. Für die Fundplätze Rothenklempenow (Nordost-Deutschland) und Dudka (Nordost-Polen) waren die verwertbaren Probenmengen mit geeigneter Kollagenerhaltung leider recht gering, sodass für diese Fragestellungen schwerpunktmäßig nur der Fundplatz Friesack (NW v. Berlin, Deutschland) fokussiert wurde, wo die Isotopenkonzentrationen von Tierarten in einer Zeitreihe von ca. 6.000 Jahren dokumentiert werden konnten. Trotz der nicht unerheblichen Umweltveränderungen zeigt die Dynamik der Isotopenwerte einzelner Indikatorarten dort jedoch nur eher geringe Veränderungen. Interessanterweise sind die δ13C-Werte aus Dudka jedoch im Vergleich deutlich tiefer, insbesondere beim Wildschwein. Tiefere δ13C-Werte können ein Indiz für dichte Bewaldung sein, sodass eine dichtere Bewaldung in Dudka verglichen mit Friesack angenommen werden kann. Friesack liegt jedoch im ehemaligen Urstromtal das bis in historische Zeit eine Niedermoorlandschaft war. Demnach drückt das relativ schwache Signal der differenzierten Isotopenkonzentration von Huftierarten aus Dudka und Friesack sehr wahrscheinlich die parallel existierenden unterschiedlichen regionalen Zustände der holozänen Urlandschaft in der Tieflandregion aus: einmal die auch im Mittleren Holozän relativ offene Niedermoorlandschaft von Friesack und die dichtere Waldlandschaft von Dudka. Eine dichtere Bewaldung in Polen im Subboreal stimmt jedoch auch gut mit der hier errechneten geringeren Landschaftsoffenheit in Polen wieder. Insgesamt zeigen die untersuchten Indikatorarten individuelle Reaktionen auf die Landschaftsveränderungen und Klimadynamik im Holozän. Es gibt im Untersuchungsgebiet keine Hinweise auf die Ausrottung einer Art der Megafauna in der Steinzeit. Im Gegensatz zu den Mittelgebirgsregionen ist in der nordeuropäischen Tiefebene die Öffnung der Landschaft durch den Menschen großräumig erst im Spätneolithikum ab ca. 3.500 v. Chr. spürbar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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