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Sind Patienten mit affektiven Störungen blind für den Zustand des Gegenübers? Untersuchungen zur 'Theory of Mind' bei Depressionen und Bipolaren Störungen

Antragstellerin Dr. Larissa Wolkenstein
Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2012 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 215123819
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Affektive Störungen sind mit einem geringen sozialen Funktionsniveau und einem erhöhten Ausmaß an zwischenmenschlichen Konflikten verbunden. Eine defizitäre Theory of Mind (ToM) könnte diesen Auffälligkeiten zugrunde liegen. Bislang hat die Forschung zur ToM bei affektiven Patienten jedoch uneinheitliche Befunde geliefert. Dies mag unter anderem an methodischen Mängeln liegen. So wurden bislang zur Untersuchung der beiden ToM- Komponenten – Decoding und Reasoning – nicht nur Aufgaben von geringer ökologischer Validität verwendet, sondern auch Aufgaben, die möglicherweise nicht geeignet sind, schwächere ToM-Defizite aufzudecken. Entsprechend bestand das primäre Ziel dieses Projekts darin, die ToM affektiver Patienten mit ökologisch validem Material zu untersuchen. Überdies wurde der Einfluss einer negativen Stimmungsinduktion auf die ToM-Leistung untersucht. Weiterhin wurde untersucht, inwiefern mögliche Defizite in der Dekodierung komplexer, emotionaler Gesichtsausdrücke mit Auffälligkeiten im Blickbewegungsmuster und der Gesichtsmimikry assoziiert sind. Schließlich wurde außerdem der Frage nachgegangen, ob ToM-Defitzite den weiteren Krankheitsverlauf affektiver Patienten vorhersagen können. Zur Umsetzung dieser Ziele wurden zwei Studien durchgeführt. In Studie 1 wurden akut unipolar depressive Patienten, Patienten mit remittierter unipolarer Depression und gesunde Kontrollprobanden eingeschlossen. In Studie 2 wurden euthyme bipolare Patienten und gematchte gesunde Kontrollprobanden untersucht. In beiden Studien wurde das Decoding mittels der Face Task der Cambridge Mind Reading Face-Voice-Battery (CAM) untersucht. Während der Aufgabenbearbeitung wurde das Blickbewegungsmuster der Patienten sowie deren Gesichtsmimikry erfasst. Zur Untersuchung des Reasoning wurde der Movie for the Assessment of Social Cognition (MASC) verwendet. In beiden Studien wurden die beiden ToM-Komponenten einmal mit und einmal ohne negative Stimmungsinduktion erfasst. Den experimentellen Sitzungen folgte in beiden Studien nach 9 Monaten eine Follow-up- Untersuchung in der der weitere Krankheitsverlauf der Patientengruppen erhoben wurde. Die bisherigen Ergebnisse aus Studie 1 zeigen, dass akut unipolar depressive Patienten emotionale Gesichtsausdrücke zwar nicht weniger akkurat Dekodieren als Gesunde, die Dekodierung komplexer emotionaler Gesichtsausdrücke jedoch schwieriger finden als Gesunde und sich bezüglich ihrer Dekodierung unsicherer sind. Diesen Auffälligkeiten liegt kein abweichendes Blickbewegungsmuster zugrunde. Weiterhin zeigen sowohl akut als auch remittiert Depressive unabhängig von ihrer aktuellen Stimmung Beeinträchtigungen im Reasoning. Die bisherigen Ergebnisse der zweiten Studie zeigen, dass insbesondere bipolare Patienten, die jünger als 45 Jahre sind, im Decoding schlechter abschneiden als Gesunde. Beeinträchtigungen im Reasoning konnten hingegen nicht nachgewiesen werden. Zudem konnten wir zeigen, dass ein Positivity Bias im Decoding, also die Tendenz anderen positivere Emotionen zuzuschreiben als diese tatsächlich zeigen, bei bipolaren Patienten mit einem geringeren Rückfallrisiko assoziiert ist. Die bisherigen Befunde deuten darauf hin, dass den sozialen Beeinträchtigungen affektiver Patienten durchaus Defizite in der ToM zugrunde liegen könnten. Ziel zukünftiger Forschungsbemühungen sollte daher, neben der expliziten Untersuchung dieses Zusammenhangs, sein, die Befunde dieses Projektes im Rahmen von Interventionen und Präventionsansätzen nutzbar zu machen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016). Theory of Mind-Defizite bei unipolar akut und remittiert depressiven Patienten – erste Ergebnisse aus dem DFG-Projekt „Sind Patienten mit affektiven Störungen blind für den Zustand des Gegenübers?“. 34. Symposium der FG Klinische Psychologie und Psychotherapie, DGPs, Bielefeld
    Lüttke, S., Große Wentrup, F., Hautzinger, M. & Wolkenstein, L.
  • (2018). Theory of mind in remitted bipolar disorder: Younger patients struggle in tasks of higher ecological validity. Journal of Affective Disorder, 231, 32-40
    Feyerabend, J., Lüttke, S., Große-Wentrup, F., Wolter, S., Hautzinger, M., & Wolkenstein, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jad.2018.01.026)
 
 

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