Phonologischer Wandel am Beispiel der alemannischen Dialekte Südwestdeutschlands im 20. Jahrhundert
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Empirisches Hauptergebnis des Forschungsprojekts bildet ein umfangreiches Korpus von Kartenvergleichen als Grundlage für die Interpretation von Dialektwandelprozessen im 20. Jahrhundert. Es wurden insgesamt ca. 110 Real-Time-Vergleichskarten (Wenker- vs. SSA-Karten) sowie ca. 160 Apparent-Time-Vergleichskarten (Vergleiche zwischen den Kompe-tenz- und den spontansprachlichen Daten) erstellt. Zusätzlich wurden in Schwarz (2011) die spontansprachlichen Daten in Form von 36 interpolierten Farbkarten dargestellt und von Streck (2012) sechs dialektometrische Karten publiziert. Insgesamt wurden 33 phonologische Variablen in knapp 200 Lexemen mit ca. 82.000 spontansprachlichen Tokens untersucht. Zu den drei in der Projektbeschreibung genannten zentralen Fragestellungen stellte sich zu-sammenfassend folgendes heraus: 1.) Bei den Wandelprozessen in den alemannischen Dia-lekten des 20. Jahrhunderts handelt es sich überwiegend um kontaktinduzierte Phänomene. Endogene Faktoren waren dagegen kaum nachweisbar. 2.) Der phonologische Wandel zeigt eine klare lexikalische Steuerung und weist nur in wenigen Fällen prozesshaften Charakter auf. 3.) Es handelt sich um eine Mischung aus horizontalem und vertikalem Wandel. Die standardnäheren Regionalvarietäten geben in der Regel die Richtung des Lautwandels vor, was dadurch nachweisbar ist, dass sich oft solche Realisierungen ausbreiten, die mit regio-naldialektalen bzw. standardnahen Formen identisch oder diesen ähnlich sind. Die Ausbrei-tung neuer Lautungen vollzieht sich dabei nicht in allen Gebieten mit gleicher Intensität. So konnten z. B. im nördlichen Bodenseeraum starke Veränderungen zugunsten des Schwäbi-schen nachgewiesen werden, wohingegen sich der äußerste Südwesten des Untersuchungsge-biets als besonders wandelresistent erwies. Das reichhaltige spontansprachliche Material erbrachte weiterhin Ergebnisse, die über die im Projektantrag formulierten Erkenntnisziele hinausreichen. Hierzu zählen zum einen neue Erkenntnisse über die Dialektgliederung im Untersuchungsgebiet in den 70/80er Jahren, die mit Hilfe dialektometrischer Analysen gewonnen wurden (Streck 2012), sowie statistische Analysen zum Zusammenhang verschiedener unabhängiger Variablen (z. B. Geschlecht) mit der vorgefundenen phonologischen Variation (Schwarz 2011). Die beiden aus dem Projekt hervorgegangenen Dissertationen wurden mit Preisen ausge-zeichnet: Streck (2012) mit dem Freiburger Hermann-Paul-Preis und Schwarz (2011) & Streck (2012) mit dem Nachwuchspreis der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2008). „Phonologischer Dialektwandel in Südwestdeutschland. Erste Ergebnisse einer Sekundäranalyse von Dialektdaten des 19. und 20. Jahrhunderts". In: Ernst, Peter / Patocka, Franz (Hrsg.): Dialektgeographie der Zukunft. Akten des 2. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Institut für Germanistik der Universität Wien. 20. bis 23. September 2006. Stuttgart: Steiner (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik - Beihefte, Band 135), 115-130
Auer, Peter / Schwarz, Christian / Streck, Tobias
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(2009). "New approaches to describing phonological change: The realisation of Middle High German î in the Alemannic Dialects of Southwest Germany". In: Tsiplakou, Stavroula / Karyolemou, Marilena / Pavlou, Pavlos (eds.): Language Variation - European perspectives II. Selected papers from the 4th International Conference on Language Variation in Europe (ICLaVE 4), Nicosia, June 2007. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Studies in Language Variation 5), 205-214
Schwarz, Christian / Streck, Tobias
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(2010) „Neue Ansätze zur Beschreibung phonologischen Wandels in den alemannischen Dialekten Südwestdeutschlands: n-Tilgung und Realisierung von mhd. ô". In: Christen, Heien / Germann, Sibylle / Haas, Walter / Montefiori, Nadia / Ruef, Hans (Hrsg.): Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft. Beiträge zur 16. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.-10.09.2008. Stuttgart: Steiner (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik - Beihefte, Band 141), 203-218
Schwarz, Christian / Streck, Tobias
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(2010). „Der Grunddialekt als Konstrukt. Wie Gewährspersonen und Erheber in der direkten Befragung die Daten der Atlasdialektologie konstituieren". In: Huck, Dominique / Choremi, Thiresia (Hrsg.): Parole(s) et langue(s), espaces et temps - Melanges offerts à Arlette Bothorel-Witz. Strasbourg: Université de Strasbourg, 23-36
Auer, Peter
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(2011). Phonologischer Dialektwandel in den alemannischen Basisdialekten Südwestdeutschlands im 20. Jahrhundert. Eine empirische Untersuchung zum Vokalismus. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schwarz, Christian
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(2011). „Primäre und sekundäre Dialektmerkmale. Empirische Befunde aus Dialekten und Standardvarietäten". In: Pohl, Heinz-Dieter (Hrsg.): Akten der 10. Arbeitstagung für bayerisch-österreichische Dialektologie (Klagenfurt, 19.-22. September 2007). Wien: Praesens (= Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenschaft 34-36 / 2008-2010), 355-377
Schwarz, Christian / Spiekermann, Helmut / Streck, Tobias
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2011. "Demotisation of the Standard variety or destandardisation? The changing Status of German in late modernäty (with special reference to south-\vestern Gerrnany)". In: Tore Kristiansen/Nikolas Coupland (Hrsg.), Standard Languages and Language Standards in a Changing Europe, Oslo: Novus Press, S. 161-177
Auer, Peter/ Spiekermann, Helmut
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(2012). Phonologischer Wandel im Konsonantismus der alemannischen Dialekte Baden-Württembergs. Sprachatlasvergleich, Spontansprache und dialektometrische Studien. Stuttgart: Steiner (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik - Beihefte, Band 148.)
Streck, Tobias