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Sekundärer Antisemitismus - zugrundeliegende psychologische Prozesse

Fachliche Zuordnung Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 218311345
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Forschungsprojekts war es, empirisch zu überprüfen, welche psychologischen Prozesse dem Phänomen des sekundären Antisemitismus zugrunde liegen. Sekundärer Antisemitismus wurde hier als der paradoxe Befund vorheriger Forschung verstanden, dass sich Deutsche antisemitischer äußern, wenn sie zuvor mit der Information konfrontiert werden, dass heutige Juden unter anhaltenden negativen Folgen des Holocaust leiden. Im Fokus des Projekts standen dabei drei kognitive und affektive Mechanismen, die dieses Phänomen erklären könnten: die Abwehr latent empfundener Schuldgefühle, das Bedürfnis, das positive Bild der eigenen Gruppe zu verteidigen, sowie das Bedürfnis, die Welt als einen gerechten Ort zu sehen, in dem jedem Menschen das widerfährt, was er verdient und jeder das verdient, was ihm widerfährt. Im Verlauf des Projekts stellte sich heraus, dass der grundlegende Effekt - ein Anstieg antisemitischer Einstellungen in Reaktion auf die Konfrontation mit anhaltendem jüdischem Leiden - sich nicht experimentell reproduzieren ließ. Im weiteren Verlauf wurde daher mit verschiedenen methodischen Zugängen versucht, zunächst die grundlegende Nachweisbarkeit des Phänomens zu überprüfen. Die Ergebnisse von insgesamt acht Studien lieferten keinerlei Anhaltspunkte auf die Gültigkeit der Annahme eines experimentell nachweisbaren sekundären Antisemitismus. Dies gilt sowohl für die explizite Zustimmung zu antisemitischen Äußerungen als auch für die Abwertung oder Benachteiligung von Juden unter Bedingungen, die es den Probanden weniger bewusst machen, dass es um die Äußerung von Vorurteilen geht. So ließ es sich weder nachweisen, dass Probanden auf die Konfrontation mit anhaltendem jüdischem Leiden mit verstärktem offenem Antisemitismus reagieren, noch dass sie Israel stärker kritisieren, das Gesicht eines Juden als negativer in Erinnerung haben oder israelischen Opfern von Raketenbeschuss ihre Empathie und Unterstützung vorenthalten. Insgesamt spricht die im Verlauf des durchgeführten Projekts gesammelte Befundlage dagegen, dass der ursprünglich angenommene Effekt eines defensiven Antisemitismus robust ist. Während der Projektdauer wurden zwei Studienreihen begonnen, die die theoretischen und methodischen Stränge des Projekts weiterverfolgen. In einer Reihe wird zurzeit untersucht, welche Bedeutung die Ansicht, man solle unter die deutsche NS-Vergangenheit einen Schlussstrich ziehen, für verschiedene vergangenheitsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen hat. Eine weitere Reihe von Studien untersucht verzerrte Erinnerungen an Gesichter von Opfern der eigenen Gruppe, in anderen Zusammenhängen als dem Kontext des Antisemitismus.

 
 

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