Detailseite
Projekt Druckansicht

Sklaverei, Befreiung und politische Kultur in der Ukraine, 1475-1709

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 218469896
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Berichtszeitraum wurden Forschungen zur Sklaverei und Befreiungsideologie in der Region der heutigen Ukraine und Eurasiens durchgeführt. Im Rahmen meiner Herausgebertätigkeit haben mich angesehene Fachkollegen zu Beginn der Projektlaufzeit gedrängt, einen Überblicksartikel zur Geschichte der Sklaverei in Eurasien vom Mittelalter bis zu den 1860er Jahren zu verfassen, da eine Einführung in das Forschungsgebiet in englischer und deutscher Sprache fehlte. Daraus entstand ein monographischer Artikel, der in die Literatur zu den Formen und Strukturen der Sklaverei, zu den Strömen und dem Personal des Sklavenhandels,zu den Haltungen der wichtigsten religiösen Gemeinschaften zur Sklaverei sowie zurKritik an der Institution bis zur offiziellen Abschaffung einführt. In Christentum wie Islam ergeben sich unterschiedliche zeitliche Verläufe und zahlreiche interne Debatten sowie lokale, gewohnheitsrechtliche Abweichungen. In den verschiedenen Rechtsschulen der Sunna ging der Trend vereinfachend von einer frühen, einschränkenden und partizipativeren Regulierung der Sklaverei zu seit dem späten Mittelalterzunehmender Entrechtung, die im 19. Jahrhundert wachsender Kritik und schließlich der Abolition, zunächst des Handels wich. Im orthodoxen Christentum war Sklaverei im Mittelalter verbreitet, bis im 16. Jahrhundert einerseits Loskauf und Befreiung, andererseits die Sonderform der Leibeigenschaft als wirtschaftliche Basis der Verteidigung der Steppengrenze gegen die häufigen Sklavenrazzien in den Vordergrund rückten. Im späten 18. Jahrhundert kam die Forderung auf, Sklaverei und Leibeigenschaftabzuschaffen. Die Sklaverei in Eurasien stehtnicht, wie oft angenommen, im Gegensatz zu Europa, sondern im Kontext desglobalen Kontinuums unfreier Arbeit, deren Reste sich selbst im atlantischen Raum bis ins frühe 20. Jahrhundert hielten. Weitere Artikel widmen sich Fragen der Erinnerung und politisch-theologischen Zugängen zur Sklaverei im Moskauer Reich und in Ruthenien als Bestandteil Polen-Litauens. Die orthodoxen Kirchen haben sich selten in Opposition zur Sklaverei positioniert, sondern in christologischer Herleitung Gefangenschaft als Schule des Glaubens und Widerstands verstanden. Daher war der Loskauf der aus der Gemeinde stammenden Sklaven in Byzanz seit dem 10. Jahrhundert Aufgabe des Bischofs und ging im Moskauer Reich seit dem 16. Jahrhundert auf die Zaren über, unter Bedingungen zunehmender Sklavenrazzien infolge erhöhten Bedarfs vom Mittelmeer bisZentralasien und des Niedergangs der Zentralgewalt in der Steppe. Die seit den 1550er Jahren ausgeprägte Identifizierung als „Neues Israel“, das vom Zaren oder Hetman als „neuem Moses“ aus der „ägyptischen Sklaverei“ in den Tatarenkhanaten herausgeführt werde, oder sich in das partizipative System Polen-Litauens integrierte, wich seit Mitte des 17. Jahrhundertsder Rebellen weniger inspirierenden Ideologie der Sklavenbefreiung. Der Loskauf blieb orthodox begründet, bezog aber aus praktischen Gründen teilweise das Personal und zunehmend Losgekaufte aus den Heterodoxien. Die orthodoxe Sklavenbefreiungsideologie fügt sich in denweiteren Rahmen der Entwicklung von auf begrenzte Gruppen bezogenen zu in der Aufklärung universalisierten Befreiungsforderungen. Dabei stärkte die Verpflichtung der Zaren zur Sklavenbefreiung und ihre bis ins frühe 19. Jahrhundert führende Rolle politisch die Autokratie.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Rachat (« rédemption »), fortification et diplomatie dans la steppe – la place de l’Empire de Moscou dans la traite des esclaves en Eurasie,in: Fabienne Guillén (Hrsg.), Esclavages en Méditerranée et en Europe continentale. Espaces de traite et dynamiques économiques, Madrid 2012, S. 181–194
    Christoph Witzenrath
  • Rezension von Eltis, David; Stanley L. Engerman (eds.), The Cambridge World History of Slavery, Volume 3: AD 1420-AD 1804 (Cambridge 2011), 776 S., In: Journal of Early Modern History, 17 (2013) Heft 5-6, S. 591-595
    Christoph Witzenrath
  • Eurasian Slavery, Ransom and Abolition in World History, 1200-1860, Farnham 2015, 368+xii S.
    Christoph Witzenrath (Hrsg.)
  • Sklavenbefreiung, Loskauf und Religion im Moskauer Reich, in: Heike Grieser und Nicole Priesching (Hrsg.), Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum. Ein interreligiöser Vergleich. Akten der Tagung vom 19. bis 21. September 2013 an der Universität Paderborn, Hildesheim 2015, S. 287-310
    Christoph Witzenrath
  • Slavery in Medieval and Early Modern Eurasia: An Overview, in: Christoph Witzenrath (Hrsg.), Slavery, Ransom and Liberation in Russia and the Steppe Area, 1200-1860, Farnham 2015, S. 1-77
    Christoph Witzenrath
  • The Conquest of Kazan’ as a Place of Remembering the Liberation of Slaves in Sixteenth- and Seventeenth-century Russia, in: Christoph Witzenrath (Hrsg.), Slavery, Ransom and Liberation in Russia and the Steppe Area, 900-1860, Farnham 2015, S. 295-308
    Christoph Witzenrath
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung