Analytisierung der indigenen Sprachen der Britischen Inseln und Irlands, d.h. typologischer Wandel von der Synthetizität zur Analytizität
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Projekt wurde erstmals eine areallinguistische Erfassung der Analytisierung des Englischen und der inselkeltischen Sprachen angestrebt. Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde eine quantitative Methode angewandt und qualitativ ausgewertet. Der hohe Grad der Analytizität des Englischen beruht vermutlich auf wiederholtem Sprachkontakt, und zwar zunächst auf dem Substrateinfluss des Spätbritischen auf die angelsächsischen Einwandererdialekte, sodann dem Adstrateinfluss des Skandinavischen auf das Altenglische und später dem Superstrateinfluss verschiedener traditioneller Dialekte des Französischen auf das Mittelenglische und schließlich auf der weltweiten Verbreitung des in der Flexionsmorphologie bereits weitgehend analytisierten Frühneuenglischen. Einzig die Wortbildungsmorphologie des Gegenwartsenglischen verhindert einen noch niedrigeren Analytizitätsgrad. Das Walisische und das Bretonische unterlagen ebenso wie das Englische mehrfachem Sprachkontakt. Das Walisische war Superstrateinflüssen des Alt- und Mittelenglischen sowie seit der Neuzeit des Neuenglischen ausgesetzt, im Mittelalter auch des Skandinavischen und des Anglonormannischen. Statt des Superstrateinflusses des Englischen wies das mit dem Walisischen eng verwandte Bretonische seit dem frühen Mittelalter intensiven Superstrateinfluss des Französischen auf. Wie das Englische unterlag das Irische dreimaligen Strataeinfluss. Da sich der skandinavische Einfluß auf die Städte beschränkte, sehe ich diesen als Adstrateinfluss an, während der Einfluß des Anglonormannischen wie auch des Englischen als Superstrateinfluss anzusehen ist. Der vergleichsweise heute immer noch höhere Analytizitätsgrad des Irischen beruht im Vergleich zum Englischen auf dem Beibehalt einer Reihe von Flexionsunterschieden sowohl in der Nominal- als auch in der Verbalphrase. Zusätzlich zum strata-bedingten Mehrfacheinfluss bot die Nutzung der Wasserwege des Archipels den genannten Sprachgemeinschaften die Möglichkeit, untereinander enge Kontakte zu unterhalten. Dies führte zu arealsprachlichen Auswirkungen, d.h. die Insularität der untersuchten Sprachen führte zur Entwicklung einer Reihe von analytischen Gemeinsamkeiten, deren Verbreitung durch die vergleichsweise hohe Mobilität zwischen den Sprechergemeinschaften ermöglicht wurde. Dreierlei überraschende Erkenntnisse betrafen 1) die Einsicht, dass die für das Englische entwickelte Quantifizierungsmethode nur begrenzt für die inselkeltischen Sprachen aussagekräftig ist, und zwar wegen ihres hohen Grades an Allomorphie, 2) dass die Analytisierung der untersuchten Sprachen letztlich auf die Eroberung Britanniens durch die Römer zurückgeht und 3) dass, anders als erwartet, die Restrukturierung der Verbalkongruenz typologischer zwischen dem Bretonischen und den nicht-standardsprachlichen Varietäten des Englischen ähnlicher ist als zwischen den letzteren und dem Walisischen.