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Psychische Grundlagen von Reviktimisierungstendenzen bei Personen mit der Kindheit erlebter interpersoneller Traumatisierung

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 222278117
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Interpersonelle Traumatisierungen in der Kindheit erhöhen in der Folge das Risiko für erneute Traumatisierungen in späteren Lebensabschnitten (Reviktimisierungen) sowie das Risiko für verschiedene psychische Störungen wie z. B. der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). In der bisherigen Literatur werden verschiedene Variablen und Mechanismen, die Reviktimisierungstendenzen bedingen, diskutiert, allerdings ist die zugrundeliegende empirische Datenlage ausgesprochen inkonsistent. Zusammenhänge zwischen interpersoneller Traumatisierung, erhöhter trauma- oder ereignisspezifischer Schuld und Scham und PTBS sind empirisch gut belegt. Traumaspezifische Schuld und Scham in der Folge traumatischer Ereignisse gelten als Risikofaktoren für die Entstehung von PTBS und als Faktoren, die zur Aufrechterhaltung von PTBS beitragen. Während traumaspezifische Schuld und Scham im Zusammenhang mit PTBS gut belegt sind, fehlen Studien zum Zusammenhang von Trauma/PTBS und generalisierter Schuld und Scham. Ziel des Projektes war es daher zu untersuchen, welche der Variablen Psychopathologie, Risikoerkennung, emotionale Kompetenz/Selbstbehauptung, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Schuld und Scham, Sensation Seeking, bindungsbezogene Angst und State-Dissoziation mit Reviktimisierungstendenzen bei Frauen mit interpersonellen Gewalterfahrungen assoziiert sind (Studie 1). Ein weiteres Ziel war es, den Forschungsstand zu PTBS und generalisierter Schuld und Scham zu erweitern, um auch hier eine Grundlage für die Optimierung von Interventionen zu schaffen (Studie 2). Diese Fragestellungen wurden in Studie 1 an 34 reviktimisierten, 22 viktimisierten und 29 nichtviktimisierten Probandinnen untersucht. In Studie 2 wurden 28 traumatisierte Probandinnen mit PTBS, 32 traumatisierte Probandinnen ohne PTBS und 32 nicht-traumatisierte Probandinnen hinsichtlich expliziter und impliziter Schuld und Scham untersucht. In Studie 1 zeigten sich die Variablen Risikoerkennung, bindungsbezogene Angst, State Dissoziation und Selbstwirksamkeit als signifikante Prädiktoren für die Gruppenzugehörigkeit. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass reviktimisierte Probandinnen kein generelles Defizit in der Risikoerkennung aufweisen, sondern lediglich keine erhöhte Risikoerkennung wie die viktimisierten Probandinnen. Zusätzlich zu dieser im Vergleich zu den viktimisierten Probandinnen geringeren Risikoerkennung zeigen reviktimisierte Probandinnen erhöhte Werte in bindungsbezogener Angst. Die Variablen State Dissoziation und Selbstwirksamkeit konnten die reviktimisierten von den nicht-viktimislerten Probandinnen differenzieren. Die Ergebnisse der Studie 2 weisen darauf hin, dass sowohl Traumatisierung mit PTBS als auch Traumatisierung ohne PTBS assoziiert sind mit generalisierter expliziter Schuld und Scham. Während Traumatisierung generell (mit und ohne PTBS) mit einem impliziten zu Scham neigenden Selbstkonzept assoziiert war, zeigte sich PTBS spezifisch mit einem impliziten zu Schuld neigenden Selbstkonzept assoziiert. Stärken der Studie 1 sind die sorgfältige Definition von Viktimisierung und Reviktimisierung, die erstmalige Untersuchung von Reviktimisierung an einer schwer belasteten Stichprobe und die Differenzierung zwischen viktimisierten und reviktimisierten Probandinnen. Stärken der Studie 2 ist die erstmals implizite Messung von Schuld und Scham im Zusammenhang mit Reviktimisierung. Kritisch anzumerken ist das querschnittliche Design beider Studien, das keine Aussagen über die Richtung der gefundenen Zusammenhänge zulässt. Insgesamt legen die Befunde nahe, dass eine nicht-erhöhte Risikoerkennung bei viktimisierten Personen in Kombination mit anderen Beeinträchtigungen wie bspw. erhöhter bindungsbezogener Angst und State Dissoziation sowie verminderter Selbstwirksamkeit das Reviktimisierungsrisiko erhöhen könnte. Des Weiteren weisen die Ergebnisse darauf hin, dass nicht nur trauma-spezifische Schuld und Scham, sondern zusätzlich generalisierte Schuld und Scham sowie insbesondere ein generelles zu Schuld neigendes Selbstkonzept wichtig für das Verständnis von PTBS sind und in der Planung von Interventionen bedacht werden sollten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2014). Sexuelle Reviktimisierung: Bindungsbezogene Angst als zugrundeliegender Mechanismus? Psychotherapie im Dialog, 1, 2014, 78-30
    Beckers, E. & Knaevelsrud, C.
  • Risikoerkennung, Selbstbehauptung und bindungsbezogene Angst als Grundlagen von Reviktimisierungstendenzen. Poster, 32. Symposium Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Braunschweig, Mai, 2014
    Bockers, E., Roepke, S., Michael, L., Renneberg, B. & Knaevelsrud, C.
  • Risk Recognition, Attachment Anxiety, Self-Efficacy, and State Dissociation Predict Revictimization. PLoS ONE 9(9): e108206. Published: September 19, 2014
    Bockers, E., Roepke, S., Michael, L., Renneberg, B. & Knaevelsrud, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0108206)
  • The Role of Generalized Explicit and Implicit Guilt and Shame in Interpersonal Traumatization and Posttraumatic Stress Disorder. Poster, 32. Symposium Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Braunschweig, Mai, 2014
    Bockers, E., Roepke, S., Michael, L., Renneberg, B. & Knaevelsrud, C.
  • The Role of Generalized Explicit and Implicit Guilt and Shame in Interpersonal Traumatization and Posttraumatic Stress Disorder. The Journal of Nervous and Mental Disease: February 2016 - Volume 204 - Issue 2 - p 95–99
    Bockers, E., Roepke, S., Michael, L., Renneberg, B. & Knaevelsrud, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1097/NMD.0000000000000428)
 
 

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