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Pulsdiagnose in tibetischen Medizintexten

Antragsteller Dr. Olaf Czaja
Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 223432890
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In den Projekt wurde eine ausführlich Analyse der Pulsdiagnose anhand tibetischer Medizintexte angestrebt. Dafür wurden alle relevante Quellen, pulstheoretische und klinische Abhandlungen, der Vergangenheit und der Gegenwart ausgewertet. Die Untersuchung der frühen pulstheoretischen Werke zeigt, dass eine entwickelte Pulsdiagnose etwa ab dem 11. Jahrhundert tibetischen Ärzte bekannt war. Diese Abhandlungen formten ein Pool an Grundwissen aus dem Yon tan mgon po und Nyi ma dpal für ihre Werke schöpfen konnten. Es lassen sich bestimmte Konstanten im pulsdiagnostischen Wissen aufzeigen, die sich über die Jahrhunderte tradierten und generelle Aspekte diese Diagnoseform nachhaltig formten. Das Pulskapitel im Rgyud bzhi bildete ab dem 13. Jahrhundert die wichtigste theoretische Quelle zur Pulsdiagnose. Wie aus der reichhaltigen Kommentarliteratur zum Rgyud bzhi ersichtlich wird, war aber die Interpretation des Pulskapitel in wichtigen Punkten strittig. Man kann klare Änderungen im Verständnis der theoretischen Sachverhalte und damit auch in der Anwendung der Pulsdiagnose ausmachen. Die Art und Weise, wie wir die Pulsdiagnose der tibetischen Medizin heute verstehen, wurde nachhaltig im 16. Jahrhundert durch Blo gros rgyal po geformt und dann von Sangs rgyas rgya mtsho übernommen und verbreitet. Ärzte, die vor dem 16. Jahrhundert lebten und arbeiteten, besaßen häufig Auffassungen, die in wichtigen Punkten davon abwiechen. Diese Änderung in der Interpretation(en) schlug sich auch im Text des Rgyud bzhi selbst wieder. Er wurde gemäß der neuen Auslegung korrigiert und neu editiert. Dies ist auch der Grund für die teilweise gewichtigen Unterschiede zwischen den Pulskapitel im Rgyud bzhi und im 'Bum bzhi. Neben den medizintheoretischen wurden auch anwendungsbezogene Abhandlungen untersucht. Es zeigt sich, dass in den klinischen Texten sehr wichtige Informationen zur Praxis der Pulsdiagnose zu finden sind. Sie gehen über die pulstheoretischen Angaben hinaus, indem sie sich nicht nur zur Diagnose von Krankheiten äußern, sondern auch zur Diät und zur Behandlung. Mitunter tragen sie dazu bei zu entscheiden, ob der Behandlungsverlauf erfolgreich ist oder nicht. Auch konnten sie als Entscheidungshilfe bei der Frage dienen, welche Behandlung zu wählen sei. Pulsangaben in den anwendungsbezogenen Abhandlungen können mit den entsprechenden Angaben im Rgyud bzhi übereinstimmen, aber sehr oft tun sie es nicht. Dies ist mitunter darauf zurückzuführen, dass eine Krankheit, ihre Symptomatik und Behandlung, einer eigenständigen Tradition folgt, in dem auch spezifische Angaben zum Puls eingebettet sind. Sie wurden völlig unabhängig von pulstheoretischen Darstellungen, wie dem Pulskapitel im Rgyud bzhi, tradiert und bildeten eine festen Bestandteil der medizinischen Expertise bestimmten Schulrichtungen innerhalb der tibetischen Medizin. Diese unterschiedliche Stile des Praktizierens sind eine wichtige Erweiterung und Vertiefung unseres Wissens über die Pulsdiagnose in der tibetischen Medizin. Abschließend kann man sagen, dass diese Untersuchung die erste umfassende Analyse der Pulsdiagnose auf der Grundlage tibetischer Quellen darstellt.

 
 

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