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Der Arbeiter als Zukunftsträger der Nation.Bildpropaganda im faschistischen Italien und im peronistischen Argentinien in transnationaler Perspektive (1922-1955)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 225520915
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In der Zwischenkriegszeit stützten autoritäre Regime, wie das faschistische Italien ab 1922 als eines der ersten, ihre politische Propaganda zunehmend auf visuelle Medien. Der „faschistischen Revolution“ sollte durch eine innovative Ästhetik auch visuell Ausdruck verliehen werden. Inhaltlich bestand ein wesentlicher Teil der rivoluzione fascista gerade in der Durchsetzung einer korporativistischen Wirtschafts- und Sozialordnung. Das Thema der Arbeit wurde somit in der massenhaft verbreiteten Bildpropaganda omnipräsent, der „faschistische neue Mensch“ nahm die Figur des Arbeiters an. Dass der faschistische Korporativismus, der insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise auch im Ausland als vielversprechender Lösungsweg rezipiert wurde, nach dem Fall des faschistischen Regimes seine Ausstrahlungskraft keineswegs eingebüßt hatte, zeigt der Vergleich mit Argentinien. In dem traditionellen Zielland italienischer Emigration setzte Perón in seiner Rolle als Staatssekretär für Arbeit ab 1943 und schließlich als Präsident ab 1946 korporativistische Reformen um. Ziel der dort ebenso massenhaft vertriebenen Propaganda war, ähnlich wie zuvor in Italien, die soziale Integration des Landes, das sich ebenso auf der Schwelle vom Agrar- zum Industrieland befand. Die forschungsleitende Frage richtete sich auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der politischen Identitätsbildung, die unter beiden Regimen wesentlich in der visuellen Propaganda betrieben wurde und inhaltlich um das Thema der Arbeit kreiste. Die Ausgangsthese des Forschungsprojektes, der zufolge der Peronismus nach 1946 in steter Auseinandersetzung mit dem italienischen Vorläufer, in seiner Propaganda eine vom Faschismus abweichende politische Identität entwarf, wurde anhand von rund 1.500 Exemplaren der Bildpropaganda aus beiden Ländern – Plakaten, Postkarten, Illustrationen in Zeitschriften und Schulbüchern – überprüft. Nachdem auf die personellen Verflechtungen zwischen Italien und Argentinien, den Transfer von Propagandamaterial und dessen Produktionsbedingungen unter beiden Regimen eingegangen wurde, wurden verschiedene Rollenbilder in der faschistischen und peronistischen Bildpropaganda identifiziert. Der männliche Arbeiter erfuhr in beiden Ländern eine entschiedene Aufwertung und wurde zum Zukunftsträger der Nation erklärt. Während er im faschistischen Italien vor dem Hintergrund der Ruralisierungskampagnen die Form des Landarbeiters annahm, stand in der Propaganda unter Perón vielmehr der Industriearbeiter im Mittelpunkt. Im Zeichen der Aufwertung der Arbeit stand ebenso die Inszenierung der beiden Regierungschefs, Mussolini und Perón, als vorbildliche Arbeiter, die sich somit als neue, anpackende Politikertypen in Szene setzten. Dadurch wurden einerseits traditionelle Geschlechterrollen verfestigt – andererseits zumindest im peronistischen Argentinien durch die neuartige Präsenz der Präsidentengattin Evita auf der politischen Bühne auch hinterfragt. Jedoch blieben ihr – wie auch der restlichen weiblichen Bevölkerung – Männern ebenbürtige Arbeitsbereiche außer Haus verwehrt. Wie im faschistischen Italien wurde Frauen in der peronistischen Bildpropaganda vor allem die Mutterrolle anempfohlen. Kinder und Jugendliche bildeten eine separate Zielgruppe der Propaganda beider Regime. Während im faschistischen Italien vor dem Hintergrund des Äthiopienkrieges und des Zweiten Weltkrieges zunehmend das Rollenbild des Soldaten für die männliche Jugend im Vordergrund stand, sprach das peronistische Regime sie stattdessen als „kleine Arbeiter“ an und bewarb das neu eingeführte staatliche Berufsbildungssystem. Insgesamt waren die visuelle Propagandabotschaften unter Perón – abgesehen von den dort vermittelten Geschlechterrollen – nicht nur zukunftsgerichteter, sondern auch inklusiver: Im Gegensatz zum faschistischen Italien wurden in Argentinien nach 1945 keine Feindbilder, von anderen ‚Rassen‘ oder vermeintlich unproduktiven Teilen der Bevölkerung, gezeichnet. Der Schwerpunkt der politischen und nationalen Identität, wie sie in peronistischen Bildmedien entworfen wurde, lag vielmehr auf der Integration aller Argentinierinnen und Argentinier.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Korporativismus, Arbeit und Propaganda im faschistischen Italien (1922-1945)“, in: Marc Buggeln, Michael Wildt (Hrsg.), Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014, S. 141-164
    Schembs, Katharina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783486858846.141)
  • Bollettino „Tracce di modernismo tra arte e politica: Dalla Prima guerra mondiale al totalitarismo“, in: Scienza e Politica, Vol. 27, N° 53 (2015)
    Schembs, Katharina
  • „Traumbilder. Grete Sterns Avantgardefotografie im Argentinien Peróns (1946-1955)“, in: Zeithistorische Forschungen 2/2015 Fotografie in Diktaturen
    Schembs, Katharina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1440)
 
 

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