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Psychisch versehrte Offiziere des Ersten Weltkriegs in Deutschland

Antragstellerin Dr. Gundula Gahlen
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2012 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 228055824
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gegenstand des Forschungsprojekts waren deutsche Offiziere (aktive Offiziere und Reserveoffiziere), die von 1890 bis 1939 psychische Leiden entwickelten. Diese Offiziere standen im Gegensatz zum Idealbild des mutigen, nervenstarken Offiziers. Die Untersuchung der Frage, welche Auffassungen und Praktiken in Militär, Medizin, Staat und Gesellschaft im Umgang mit psychisch leidenden militärischen Führern in Deutschland von 1890 bis 1939 wirksam waren, zeigte, wie sich die Toleranzspanne in Bezug auf Anspruch und Wirklichkeit in Deutschland veränderte und welche Auswirkungen dies auf die betroffenen Offiziere hatte. Während im Kaiserreich der Umgang mit psychisch leidenden Offizieren vorrangig durch die elitäre Stellung und das hohe Maß an Autonomie des Offizierskorps geprägt war, erwiesen sich die Jahre des Ersten Weltkriegs als Umbruchszeit. Auch wenn die ideologischen Anforderungen an die geforderte Nervenstärke der Offiziere parallel zu den psychischen Belastungen im Krieg stark anstiegen, nutzte man aufgrund des Offiziersmangels alle Möglichkeiten, um nicht mehr frontdienstfähige militärische Führer noch fern der Front Dienst leisten zu lassen. Im Sanitätswesen wurden Offiziere durch eine intensive truppenärztliche Betreuung, eine privilegierte Unterbringung und Verpflegung im Lazarett wie auch ein starkes Eingehen von Nervenärzten und Pflegern auf ihre Wünsche und Bedürfnisse deutlich bevorzugt. In Bezug auf die vergebenen Diagnosen und Therapien lagen dagegen nur graduelle Unterschiede vor. Hier wirkte sich der Aufschwung der Psychiatrie als medizinischer Disziplin im Ersten Weltkrieg aus. Mit der Niederlage und der Heeresverkleinerung verlor das Offizierskorps in weiten Teilen seine Existenzgrundlage und viele soziale Privilegien. Die Lebensläufe psychisch versehrter Offiziere a. D. in der Weimarer Republik zeichnen sich durch eine große Heterogenität aus. Ihr Wohlergehen hing im Regelfall stärker vom Schweregrad ihrer psychischen Störungen, ihrer zivilen Ausbildung und dem familiären und finanziellen Hintergrund ab als vom Offiziersstatus a. D. Als 1927 in der Reichswehr psychologische Prüfstellen eingeführt wurden, erhielten medizinische Prüfkriterien erstmals schon bei der Auswahl der Offiziersanwärter Einfluss, wenngleich die letztendliche Entscheidung, wer als Offizier aufgenommen wurde, in militärischer Hand verblieb. 1933/34 bedeutete für psychisch versehrte Offiziere a. D. eine radikale Zäsur. Sie verloren ihre Renten wie auch die verbliebenen Reste ihrer sozialen Sonderstellung, da in der NS-Ideologie der Frontkämpfer und nicht der Offizier als Angehöriger eines privilegierten Gesellschaftsstandes verherrlicht wurde. So gerieten auch militärische Führer des Ersten Weltkriegs in die Sterilisierungs- und Tötungsmaschinerie der sogenannten „Euthanasie“. Im Militär wurden nun anders als im Ersten Weltkrieg psychische Leiden bei Offizieren noch weniger als bei Mannschaftssoldaten toleriert, da bei Offizieren die Messlatte in Bezug auf die geforderte Nervenstärke deutlich höher angelegt wurde.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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