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Entwicklung der satzinternen Großschreibung im Deutschen. Eine korpuslinguistische Studie zum Zusammenspiel kognitiv-semantischer und syntaktischer Faktoren
Antragstellerin
Professorin Dr. Renata Szczepaniak
Fachliche Zuordnung
Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung
Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 228096696
Dieses Projekt ermittelt die Steuerungsfaktoren, die bei der Durchsetzung der satzinternen Großschreibung in der Geschichte des Deutschen gewirkt haben. Das Projekt verfolgt die Annahme, dass die Ausbreitung der satzinternen Majuskelsetzung, deren entscheidende Phase im 15.-17. Jahrhundert zu verorten ist, auf das Zusammenwirken von kognitiv-semantischen Faktoren (Belebtheit, Individualität, Referentialität), syntaktischen Faktoren (syntaktische Funktionen sowie Satztopologie und Phrasenstruktur) und den jeweiligen semantischen Rollen (Agentivität) zurückzuführen ist. Für eine frühe Phase der satzinternen Majuskelsetzung wird maximale Unterspezifikation bezüglich der genannten semantischen und syntaktischen Parameter angenommen, da die Majuskelsetzung in dieser Phase pragmatisch motiviert, d.h. aufmerksamkeitssteuernd ist und daher gleichermaßen alle Wortarten betrifft. Die Entwicklung der Großschreibung lässt sich als ein sukzessiv ablaufender Spezifikationsprozess darstellen, der nicht monokausal durch einen einzelnen Parameter, sei er semantisch oder syntaktisch, zu erklären ist, sondern durch das Zusammenspiel der genannten Faktoren. Mit diesen Annahmen einer sprachintern gesteuerten Majuskelausbreitung schließt das Projekt direkt an die zentralen Ergebnisse von Bergmann/Nerius (1998) an, die deutlich zeigen, dass der Schreibgebrauch den Orthographielehren weit voraus war (s. Bergmann/Nerius 1998: 912-973) und die zunehmende Majuskelsetzung im Satzinneren im 16./17. Jh. nicht auf die normierende Wirkung der Grammatiker zurückzuführen ist. Vielmehr handelte es sich um ein natürliches (bottom up) Phänomen, das von den Grammatikern im 16./17. Jahrhundert zunächst (meist unvollständig) konstatiert und erst ab dem 18. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst wurde (Ewald 2011, Rädle 2003). Ausgelöst wurde die Majuskelsetzung u.E. durch kommunikative Bedürfnisse der Schreibenden und Lesenden zur inhaltsbezogenen Textgestaltung (vgl. Stetter 1989, Ewald/Nerius 1999, Nerius 2003: 2468). Zur Ausbreitung der Großschreibung als graphematischer Innovation auch auf nicht-deutschsprachige Gebiete hat die Erfindung und Ausbreitung des Buchdrucks beigetragen (Maas 1995). Damit ist jedoch der genannte Spezifikationsprozess, der in diesem Projekt untersucht wird, nicht erklärt und kaum erklärbar. Der Einfluss von externen Drucker-, Kanzlei- oder Schulnormierungen wird in diesem Projekt dennoch nicht ausgeschlossen. Sollten sich bei weiterer Untersuchung drucker-, schreibschul- oder kanzleispezifische Tendenzen herausstellen, werden diese selbstverständlich ausführlich dokumentiert.In diesem Projekt wird die Durchsetzung der Großschreibung als graphematische Innovation in handschriftlichen Texten verfolgt. Das zentrale Untersuchungskorpus umfasst 56 von Macha et al. (2005) digitalisierte und edierte Hexenverhörprotokolle, die zwischen 1570 und 1665 entstanden sind.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen