Produktives Weiß - 'La page blanche' als Figuration des Anfangs in der französischen Dichtung der Moderne
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die weiße Seite wird zu einer modernen Figuration des (Schreib-)Anfangs, sobald sie das (Dichter-)Wort von der Vorsehung abschneidet. Vormoderne Dichter inszenieren sich als Sprachrohre einer ursprünglichen Sprechinstanz. Ihre modernen Nachfahren hingegen befinden sich in der misslichen Lage, eigene (Schreib-)Anfänge auf weißen Seiten vornehmen zu müssen und hierbei womöglich zu scheitern. Die page blanche, Sinnbild für die Materialität des Schreibaktes, blockiert die traditionelle Beschreibung der Welt durch das Wort. Aus diesem Grunde stellt sie einen namenlosen Schrecken für all diejenigen Autoren dar, deren 'bewährtes' Schreiben sich nunmehr in endlosen Entwürfen auf leeren Seiten verliert, in autonomen schwarz-weißen Sprachwelten. In ihnen liegt indes ein literarisches Potential, das entfaltet wird. Es entstehen Poetiken, die die initiale weiße Leere ausstellen und zum sprechen bringen. Und insbesondere nach der Jahrhundertwende werden zahllose Poetiken entwickelt, die die Leere der page blanche nutzen, um sie auf vollends originelle Weise zu füllen. Das vorliegende Teilprojekt hat die Vielzahl von (Schreib-)Anfängen auf weißen Seiten – ihr Scheitern, aber auch ihre Produktivität – anhand von zwölf Beispielen dokumentiert. Dabei ist es über die Sphäre des Lyrischen sowie über die des Literarischen hinausgegangen. So wurde es möglich, anhand der weißen Seiten eine Verflechtung von literarischen und nicht-literarischen Anfängen (in) der Moderne aufzuzeigen. Überraschungen im Projektverlauf Aus der Arbeit zum Städtebau Le Corbusiers hat sich eine Zusammenarbeit mit dem Münchener Filmmuseum ergeben. Auf den Architekturfilmtagen 2009 und 2010 hat Dr. Lars Schneider vier Filmvorstellungen mit einem einleitenden Vortrag eröffnet und dabei Erkenntnisse aus der Projektarbeit einem breiteren Publikum vorgestellt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- "Verlorene Ursprünge, haltlose Anfänge und weißes Papier: von Melville zu Mallarmé", in: Am Anfang war... Ursprungsfigurationen und Anfangskonstruktionen der Moderne, hg. v. Eckhard Schumacher/Inka Mülder-Bach, München 2008, S. 145–171
Lars Schneider:
(Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846747278_010) - "Die verwehrte Ankunft: Warten auf Mallarmés 'Livre'", in: Figuren der Ankunft/Ankünfte. An der Epochenschwelle um 1900, hg. v. Aage A. Hansen-Löve/Annegret Heitmann/Inka Mülder-Bach, München 2009, S. 233-247
Lars Schneider
(Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846747810_014) - "Baukunst am lebenden Objekt. Städtebau und Biopolitik bei Le Corbusier", in: Stephan Leopold/Dietrich Scholler (Hg.): Von der Dekadenz zu den Neuen Lebensdiskursen. München: Fink 2010, 317–334
Lars Schneider
(Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846750452_017) - "Die Schrift und das Unbewusste: Zur (Traum-)Poetik André Bretons", in: Lendemains – Études comparées sur la France 36/144 (2011), 118-136
Lars Schneider
- Natalität. Geburt als Anfangsfigur in Literatur und Kunst, München: Wilhelm Fink Verlag 2013
Aage A. Hansen-Löve/Michael Ott/Lars Schneider (Hg.)
(Siehe online unter https://doi.org/10.30965/9783846756386)