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Individualisierungsprozesse als Referenzpunkt theologisch-ethischer Theoriebildung

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 200984086
 
Die bundesrepublikanische Gesellschaft durchläuft nach 1945 einen Prozess beschleunigter Individualisierung. Dessen Dynamik speist sich sowohl aus den zurückliegenden Erfahrungen des nationalsozialistischen Vergemeinschaftungsterrors und der Auflösung homogener Milieus in den kriegs- und vertreibungsbedingten Wanderungsprozessen der unmittelbaren Nachkriegszeit als auch aus der schnell wiedererlangten wirtschaftlichen Prosperität in den Aufbaujahren: Steigender Wohlstand, höhere (gesellschaftliche) Mobilität und der Zugewinn an Freiheitsgraden durch eine größere Technisierung des Alltags sind wesentliche Motoren für die schnelle Individualisierung, die dann in den 1960er und 1970er Jahren durch die Bildungsexpansion fortgesetzt wird. Diese Entwicklung stellt den Protestantismus vor nicht geringe Herausforderungen: Unmittelbar durch die damit einhergehende Erosion der Kirchenbindung, die sich in der großen Kirchenaustrittswelle seit Ende der 1960er Jahre deutlich manifestiert, mittelbar aber auch durch die Notwendigkeit, zu den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen Stellung zu nehmen. Insbesondere der selbst gestellte Anspruch, eine maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft zu übernehmen, bedingt es, dass sich der Protestantismus sowohl im Blick auf das kirchliche Handeln, als auch im Blick auf die theologisch-ethische Theoriebildung herausgefordert sieht, zu den Individualisierungsprozessen Stellung zu beziehen und eine eigenständige Position dazu zu erarbeiten. Dieser Prozess wird dabei dadurch erschwert, dass gerade im Bereich des Luthertums eine lange Tradition ethischer Orientierungsmodelle vorherrscht, die das Interesse verfolgen, die als potentiell destruktiv empfundenen Prozesse von Individualisierung und Modernisierung zu kompensieren. Die Ordnungstheologie ist das bekannteste und wirkmächtigste Beispiel. Im Kontakt mit den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen kommt es nun im Protestantismus zu einer fortlaufenden Anpassung, aber auch zu einer fortlaufenden Auseinandersetzung mit den geschilderten Individualisierungsprozessen. In der hier beantragten ersten Förderphase sollen die Wechselwirkungen zwischen dem beschleunigten Individualisierungsprozess und theologischer Ethik in drei Teilprojekten untersucht werden, von denen eines die Theoriebildung in der theologischen Ethik selbst in den Blick nimmt, während die anderen beiden Teilprojekte die Fragestellung an zwei ausgewählten materialethischen Themenbereichen untersuchen: Der veränderten Rolle der Frau und den daraus resultierenden Konsequenzen in den kontroversen Fragen um Familienbild und reproduktive Autonomie sowie der Debatte um Einführung und Ausgestaltung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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