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Visuelle und haptische Täuschungen in komplexen Reizanordnungen

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2012 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 228736743
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die T-Täuschung besteht in der Überschätzung der Länge der ungeteilten Linie des T relativ zur Länge der geteilten Linie, wenn beide gleich lang sind, und die Oppel-Kundt-Täuschung besteht in der Überschätzung texturierter Erstreckungen relativ zu leeren oder gleichmäßig gefärbten. Beide visuellen Täuschungen wurden mittels psychophysischer Experimente untersucht, welche es erlauben, Antwortverzerrung und diskriminative Sensitivität zu trennen. Erstere meint den Versatz des Punktes subjektiver Gleichheit vom objektiven Nullpunkt, letztere die nichtsdestotrotz bestehende Fähigkeit, Längen korrekt zu unterscheiden. Lokale Symmetrien wurden als wesentlich für den T-Effekt identifiziert. Da das Ausmaß an Täuschung mit der Art der Linie variierte, mit der das T gebildet wurde (J-, C- oder S-Kurven, um handgeschriebene Ts nachzubilden), scheint der Ursprung des Effekts nicht Adaptation an ein Buchstabenschema zu sein. Da die Täuschung in Ts ohne ausdrücklich gezeichnete T- Kreuzung persistierte (z.B. in Ts aus gestrichelten Linien oder Punkten), scheint ein allgemeineres, nicht-sprachliches Schema am Werk zu sein. Abhängig von der Gesamtorientierung des T führte eine Teilung desselben in zwei getrennte Linien und eine Schrägneigung der einen Linie relativ zur anderen zu einer Abschwächung, Auflösung oder Umkehrung der Täuschung. Die beiden Maßnahmen verhielten sich additiv, was bedeutet, dass sie unabhängig voneinander operieren. Teilung allein war quantitativ äquivalent zur Verwendung der Herstellungsmethode statt der Methode konstanter Reize. In Termini kognitiver Strategien oder Heuristiken könnte dies die Abhängigkeit von Befunden, die mit verschiedenen psychophysischen Verfahren erhalten wurden, erklären. Die Hinzufügung anstoßender oder nicht anstoßender Flankierlinien schwächte die T-Täuschung entsprechend der Anzahl der Lücken in den resultierenden H- und +-Figuren ab. In Mustern von zwei Ts wurde die Täuschung verstärkt, wenn die ungeteilten Linien kollinear waren. Alle vorstehend genannten Effekte legen Wechselwirkungen zwischen orientierungs- und Endpunkt-sensitiven Neuronen im primären visuellen Kortex als neurales Substrat nahe. In aus vier anstoßenden oder sich überschneidenden Ts gebildeten Verzweigungsmustern verschwand die Täuschung, wenn Ziellängen haptisch durch entsprechendes Spreizen von Daumen und Zeigefinger anzuzeigen waren. Vermutlich sind die Endpunkte von Ziellinien in komplexen Mustern leichter zu lokalisieren als im Fall isolierter Linien. Bei geknickten Oppel-Kundt-Reizen war die Täuschung abgeschwächt, wenn eine durch zwei Punkte markierte leere Erstreckung senkrecht orientiert war und eine gepunktete Erstreckung waagerecht, aber sie war im umgekehrten Fall nicht verstärkt, was nahelegt, dass die sogenannte Horizontal-vertikal-Täuschung (die Überschätzung senkrechter relativ zu waagerechten Erstreckungen) in gemusterten Erstreckungen unwirksam ist. Der Effekt konnte im haptischen Bereich repliziert werden. Da die grundlegende Täuschung in gradlinigen Erstreckungen bei waagerechter Orientierung des Reizes maximal war, scheint sie an retinale Koordinaten gebunden.

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