Amphilochios von Ikonion: Ein kappadokischer Prediger des 4. Jahrhunderts im Kontext der Liturgie-, Kirchen- und Predigtgeschichte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt beschäftigte sich mit Leben und Werk des griechischen Kirchenvaters Amphilochios von Ikonion (ca. 340/5 bis vor 403), der als einflussreicher Bischof und Metropolit aus dem Kreis der „Großen Kappadokier“ das kirchliche Leben und die Theologie des ausgehenden vierten Jahrhunderts mitprägte. Bearbeitet wurden sowohl (1) die historischen Zeugnisse über seine Person und sein Leben als auch (2) die unter seinem Namen laufenden Schriften, von denen (a) jede einzelne ausgewertet wurde und (b) das kleine Korpus der möglicherweise echten Fest-Enkomien einer genaueren Analyse unterzogen wurde. Das durch die Quellen gezeichnete Bild des Amphilochios als eines angesehenen, gebildeten, rhetorisch begabten, theologisch versierten, einflussreichen Mannes, der als theologische Autorität anerkannt ist, wird durch eine Auswertung seiner Schriften bestätigt: Amphilochios tritt als ein begabter Rhetor und Literat hervor, der verschiedenste literarische Genera verwendet (Traktat, Brief, Poesie, Glaubensbekenntnis, antiarianisch-dogmatische Predigt, exegetische Predigt, Festpredigt), mit der griechischen Sprache in Prosa und Poesie kunstvoll umzugehen weiß, ein breites Repertoire rhetorischer Stilformen beherrscht und dieses je nach Anlass verschieden anzuwenden vermag. Inhaltlich beschäftigt er sich mit verschiedenen Fragen, die zu seiner Zeit die Gemüter bewegen, wobei die Motivation der Adressaten zu einem christlichen Lebenswandel innerhalb der Kirche und die Vermittlung der die (Staats-)Kirche begründenden neunizänischen Theologie als Hauptpunkte hervortreten. Sein literarisches Werk scheint vor allem pädagogisch, didaktisch und seelsorglich motiviert zu sein und zum Ziel zu haben, die Adressaten in der einheitsstiftenden und heilsvermittelnden Wahrheit des kirchlichen Glaubens zu unterweisen und zu bewahren. Ein ansprechender literarischer Stil, eine plastische und dramatische Darstellung, argumentative und dialektische Präzisierungen, Rekapitulationen und Wiederholungen beabsichtigen eine unaufdringliche und nachhaltige Belehrung und Überzeugung des Lesers oder Hörers. Die Heilige Schrift, die Amphilochios reichlich gebraucht und deren Kanon er genau festlegt, dient ihm als die autoritative Stütze seiner Argumentationen und als die Grundlage, aus der sich alle theologischen Vorstellungen ableiten lassen müssen. Als auffällige Motive stechen die Betonung der wahren Gottheit und wahren Menschheit Christi und der Gottheit des Heiligen Geistes, die scharfe polarisierende Gegenüberstellung von Gott und Teufel, Gut und Böse, Kirche und Häresie sowie die Vorstellung von der Erlösung als Wiederherstellung des Paradieses (dessen Typos die Kirche ist) hervor. Die – teilweise aus längeren Texten rekonstruierten – (vermutlich echten) Festpredigten des Amphilochios sind einerseits dem Osterfest (drei kurze Enkomien), andererseits dem Weihnachts- oder dem Epiphaniefest (ein kurzes Enkomion und mehrere kurze Fragmente) zuzuordnen. Sie heben als kurze und knappe, rhetorisch stark durchformte und festlich geschmückte Lobreden das Heilshandeln Gottes in Christus hervor und führen die zur Liturgie versammelten Christen zur Freude über die unsagbar große Gnade Gottes und zum eigenen Lobpreis hin. Die Vermittlung der (als heilsrelevant angesehenen) neunizänisch-reichskirchlichen Theologie an die Zuhörer spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Für das Osterfest kann – was mit den Zeugnissen des Gregor von Nazianz und des Gregor von Nyssa vereinbar wäre – eine am Samstagabend als Vigil beginnende und sich bis zum Sonntagmorgen erstreckende Feier angenommen werden, innerhalb derer Abend, Nacht und Morgen die drei Tage von Christi Leiden, Tod, Abstieg in die Unterwelt und Auferstehung symbolisieren und für die Mitfeiernden eine sinnliche Erfahrung der Dunkelheit und Betrübnis der Sünde und des Todes sowie der Helligkeit und Freude der Erlösung und Auferstehung ermöglicht ist. Wie für alle drei großen Kappadokier ist auch für Amphilochios eine Feier der Geburt Christi bezeugt, die das Mysterium der Inkarnation Gottes hervorhebt, bei der allerdings fraglich bleibt, ob sie am 25. Dezember oder am 6. Januar stattfand.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- The Easter Cycle in Late Antique Cappadocia. Revisiting some wellknown witnesses, in: Bollettino della Badia Greca di Grottaferrata, 3a serie 11 (2014 = FS Nicolas Egender / Sebastià Janeras), 45–77
Harald Buchinger
- Das Mesopentekoste-Fest. Bezeugung, Charakter, Entstehung, in: Richard W. Bishop/Johan Leemans/Hajnalka Tamas (Hgg.), Preaching after Easter. Mid-Pentecost, Ascension, and Pentecost in Late Antiquity (= Supplements to Vigiliae Christianae Vol. 136), Leiden 2016, 87–103
Martin Kaiser
(Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004315549_004) - Die (pseudo-amphilochianische) Mesopentekoste-Predigt CPG 3236, in: Richard W. Bishop/Johan Leemans/Hajnalka Tamas (Hgg.), Preaching after Easter. Mid-Pentecost, Ascension, and Pentecost in Late Antiquity (= Supplements to Vigiliae Christianae Vol. 136), Leiden 2016, 120–137
Martin Kaiser
(Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004315549_006) - Die Auferstehungsbotschaft der Evangelien und das Grab Christi in griechischen Osterhomilien der frühen reichskirchlichen Zeit, in: Constanza Cordoni/Gerhard Langer „Let the Wise Listen and add to Their Learing“ (Prov 1:5). Festschrift for Günter Stemberger on the Occasion of his 75th Birthday (= Studia Judaica 90), Berlin 2016, 481–500
Harald Buchinger
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110435283-027) - Amphilochius of Iconium, in: (2018): Amphilochius. In: Brill Encyclopedia of Early Christianity Online: Brill
Martin Kaiser
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1163/2589-7993_EECO_SIM_00000138)