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Torbulok - ein neu entdecktes Heiligtum im hellenistischen Fernen Osten

Antragstellerin Dr. Gunvor Lindström
Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 240144108
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die von 2013 bis 2019 durchgeführten Forschungen dem neu entdeckten Heiligtum in Torbulok erweitern die begrenzten Kenntnisse der baktrischen Sakrallandschaft hellenistischer Zeit um ein bisher unbekanntes Beispiel: ein ländliches Heiligtum von regionaler Bedeutung, das höchstwahrscheinlich am Ort einer Quelle gegründet wurde. Der zentrale Kultbau des Heiligtums lag offenbar in einem Bereich, wo bei der Errichtung eines neuen Schulgebäudes 2008 ein als Perirrrhanterion zu identifizierendes Kultgefäß zu Tage getreten war. Obwohl der Tempel durch die modernen Baumaßnahmen vollkommen zerstört ist, konnte in den Ausgrabungen dennoch ein großer Bereich des Heiligtums untersucht werden. Die Grabungen legten den gesamten westlichen Bereich des Sakralortes frei, wobei das Augenmerk auf diejenigen Befunde gerichtet wurde, die einen Einblick in die religiösen Sitten versprachen. Während das Perirrhanterion mit griechisch inspirierten Kultpraktiken zu verbinden ist, lassen sich die meisten anderen Funde und Befunde weder eindeutig auf griechische, noch auf einheimische Traditionen zurückführen. Dies gilt auch für einen bisher einzigartigen Befund aus der Gründungsphase des Heiligtums am Beginn des 3. Jhs. v. Chr.: Neben einem Wasserreservoir, das in den Boden eingetieft und mit Kalkmörtel abgedichtet war, stand ein 70 cm hohes Vorratsgefäß. Es ist als Kultschacht zu interpretieren, da die Art seiner Zurichtung mit keiner praktischen Nutzung zu erklären ist. Zu den im Schacht deponierten Weihgaben gehörten Flusskiesel, deren geologische Untersuchung zu einem überraschenden Ergebnis kam: das Gestein kommt aus dem Pamir-Gebirge und die Kiesel aus dem dort entspringenden Fluss Vakhš, der zu Fuß etwa 30 Kilometer entfernt von Torbulok liegt. Der Einzugsbereich des ländlichen Heiligtums war also relativ groß. Im Süden des Kultortes wurden zwei parallele Reihen von rechteckigen Gruben gefunden, zwischen denen eine Feuerstelle lag. Da in den Gruben und dem umliegenden Areal ausgesprochen viele Knochen zu Tage traten, könnte die Feuerstelle mit Tieropfern bzw. der Zubereitung von Kultmahlzeiten in Verbindung stehen, wobei die Überreste dieser Gelage möglicherweise in den Gruben rituell `bestattet‘ wurden. Eine Sensation war die Entdeckung von sieben Miniaturaltären in situ auf einem Hof des Heiligtums. Die steinernen Altäre haben die Form von kleinen Säulenbasen und sind für die Beurteilung des Verhältnisses zu griechischen Kulttraditionen von besonderem Interesse. Denn während ihre Funktion auf Vorbilder des Mittelmeerraums zurückgeht, folgt ihre Form Säulenbasen der persischen Architektur des 5. und 4. Jhs. v. Chr. Allerdings stammen diese Miniaturaltäre fast alle aus Fundorten des antiken Baktrien und dies spricht dafür, dass sie hier und in hellenistischer Zeit entwickelt wurden. Die kleinen Altäre spiegeln somit die Innovationskraft der baktrischen Steinmetze, die unterschiedliche Einflüsse in einem ganz eigenen, hellenistisch-baktrischen Kultgerät verbanden. Trotz der isolierten Lage innerhalb des Siedlungsraums dürfte das Heiligtum in Torbulok eine gewisse regionale Bedeutung gehabt haben. Dies ergibt sich aus der Herkunft der im Heiligtum verwendeten Keramik und der Kiesel, aber auch mittelbar aus dem monumentalen Perirrhanterion, dessen Entdeckung den Anlass der Forschungen bildete. Denn selbst wenn der Kalkstein für dieses Gefäß in der Nähe des Heiligtums gebrochen wurde, musste für die Herstellung und den Transport ein erheblicher Aufwand betrieben werden, der sich nur erklären lässt, wenn Pilger und Stifter aus einem größeren Einzugsgebiet das Heiligtum besuchten und zur Finanzierung des Kultortes beitrugen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Torbulok. Tadschikistan. Ein neuentdecktes Heiligtum im hellenistischen Osten. e-Forschungsberichte des DAI 2014/1, 120-124
    G. Lindström
  • A Newly Discovered Sanctuary in the Hellenistic East: Torbulok in Southwestern Tajikistan. In: S. Hansen (Hrsg.), Eurasia-Department. Current Research Projects (Berlin 2017) 104-105
    G. Lindström
  • Auf der Suche nach dem Ritual: Ausgrabungen in einem hellenistischen Heiligtum in Torbulok, Tadschikistan. Das Altertum 62, 2017, 161-180
    G. Lindström
  • Отчёт об археологических исследованиях 2013 года в селении Торбулок (Южный Таджикистан). Археологические работы в Таджикистане 39, 2017 [2018], 227-231
    Г. Линдстрём/Т. Филимонова
  • (2020): Southern Tajikistan. In: Rachel Mairs (Hg.): The Graeco-Bactrian and Indo-Greek World. New York: Routledge, 2021. | Series: Routledge worlds: Routledge, S. 286–312
    G. Lindström
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781315108513-15)
  • On the fly: Strategies for UAV-based archaeological survey in mountainous areas of Central Asia and their implications for landscape research. Journal of Archaeological Science Reports 30, April 2020
    L. Rouse/J. Krumnow
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2020.102275)
  • Torbulok, Heiligtum im hellenistischen Fernen Osten. In: S. Hansen (Hrsg.), 25 Jahre Eurasien-Abteilung (Berlin 2020) 99-101
    G. Lindström
  • Der Nachbar im fernen Osten und die griechisch-hellenistische Keramik. Die sogenannten griechischen Keramikformen aus dem hellenistischen Heiligtum und der Siedlung von Torbulok, Tadschikistan. In: Kamenjarin, Ivanka; Ugarković, Marina (Hg.) (2020): Explo
    K. Junker
  • The Hellenistic Sanctuary at Torbulok, Tajikistan. In: Archaeology of Central Asia during the 1st millennium BC, from the Beginning of the Iron age to the Hellenistic period. Proceedings from the Workshop held at 10th ICAANE (2021). 1. Aufl. Wien: Verlag
    G. Lindström
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1553/978OEAW84492)
 
 

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