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Der Unterricht der Visitatoren (1528). Entstehung, Bedeutung und Wirkungsgeschichte des ersten normativen Gruppentextes der Wittenberger Reformation

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 240376417
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Entstehungsprozess und das Verständnis des "Unterricht[s] der Visitatoren" von 1528 konnte durch neu aufgefundenes Quellenmaterial im Thüringischen Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Weimar deutlich erhellt werden. Gerade die handschriftlichen Notizen an wenigstens zwei Textentwürfen, beigelegte handschriftliche Gutachten, aber auch viele handschriftliche Einzelbelege im Entstehungsprozess und der Vorbereitung des Drucks über einen Zeitraum von fast einem Jahr, gewähren tiefergreifende Einblicke über Zusammenstellung und beteiligte Personen des gedruckten Unterricht[s] der Visitatoren. Mit den nunmehr aus dem abgeschlossenen Projekt resultierenden und digital wie gedruckt präsentierten Arbeitsergebnissen kann der 1528 gedruckt vorgelegte Unterricht der Visitatoren unter verschiedenen Problemstellungen abgefragt und in den reformatorischen Gesamtkontext eingeordnet werden. Dabei kann sowohl eine historischentstehungsgeschichtliche als auch eine theologiegeschichtlich-analytische Vorgehensweise gewählt werden. Die vorgelegte digitale Präsentation aller 1528 gedruckten Fassungen des Unterricht[s] der Visitatoren im „Reformationsportal Mitteldeutschland (Digitalen Archiv der Reformation)“ unterstützt darüber hinaus maßgeblich weitere Forschungen zu Textvarianten, Verbreitung und Rezeption eines ersten, grundlegenden Normtextes der „Wittenberger Reformation“, der für die Etablierung eines reformatorischen landesherrlichen Kirchenregiments notwendig war. Sowohl den in Mitteldeutschland üppig blühenden alternativen Formen der Reformation (u.a. Täufer) wie auch der zurückgelassenen Papstkirche wird ein Gemeinschafts- und Konsensdokument der „Wittenberger Reformation“ gegenübergestellt. Die darüber hinaus im Thüringischen Landesarchiv - Hauptstaatsarchiv Weimar gefundenen handschriftlichen Entwürfe zum Unterricht der Visitatoren mit dem oben angesprochenen und digital präsentierten Anmerkungsapparat geben einen wichtigen Einblick in den Formierungsprozess der nun landesherrlich verfügten „Wittenberger Reformation“ zwischen Bauernkrieg, Visitationsbewegung und Abfassung der „Confessio Augustana“ 1530. Die aus dem Projekt heraus bereitgestellten Dokumente ermöglichen es dem Benutzer überdies, theologischen oder historischen Fragestellungen umfassend nachzugehen. Vom Formierungsprozess bis zum Druck des Unterricht[s] der Visitatoren 1528 (und darüber hinaus bis zur teilweise unveränderten Neuauflage 1538) konnten als wesentliches Ergebnis des Projektes die Auswirkungen tagespolitischer Ereignisse und Entwicklungen ebenso wie der prägende Einfluss unterschiedlicher theologischer Reformationsvorstellungen sowie juristische Bedenken nachgewiesen werden. Die Visitation vom Sommer 1527 trug entscheidend dazu bei, den Entwurf des Unterricht[s] der Visitatoren im Herbst und Winter 1527 zu diskutieren, zu überdenken und endgültig auszuformulieren. In dieser Phase griff Luther auf Weisung seines Landesherrn in die Diskussionen bei den Torgauer Zusammenkünften ganz entscheidend ein. Der nunmehr formulierte Text des Unterricht[s] der Visitatoren zielt nach Luthers Meinung und landesherrlichem Willen nicht nur auf eine Abgrenzung von den Gegnern, sondern vor allem auf eine gut verständliche Orientierung für Pfarrer, Prediger, Schulmeister und Gläubige in den Gemeinden. Daher sind – anders als die Articuli Melanchthons – die Entwürfe und der Druck des Unterricht[s] der Visitatoren in deutscher Sprache verfasst. Vor dem Hintergrund des Reichstages von 1526, unter dem Eindruck der Nachwirkungen des Bauernkrieges und im Angesicht der Täuferbewegung, aber auch eingedenk der überall spürbaren Unruhen einer verunsicherten Gesellschaft (Türkengefahr, Rechtsunsicherheit, „Frühkapitalismus“) und in Erwartung einer Zeitenwende, stellt der Unterricht der Visitatoren eine wesentliche Orientierungshilfe im Prozess reformatorisch-landesherrlicher Umgestaltung dar und bleibt ein wichtiges Dokument auf dem Weg zur Konfessionsbildung. Ob und wie er als solcher umfassend in den protestantischen Territorien aufund angenommen wurde, bleibt weiteren Forschungen überlassen, wenngleich im Projekt sehr wohl auch Indizien für eine solche Annahme vorgelegt werden konnten. Belegbar ist jedenfalls, dass die 1528er Fassung noch 1538 im Umlauf war bzw. nun bis nach Kopenhagen Nachdrucke erfuhr.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Der „Unterricht der Visitatoren“ (1528) – die erste Kirchenordnung der von Wittenberg ausgehenden Reformation? In: Irene Dingel, Armin Kohnle (Hrsg.): Gute Ordnung. Ordnungsmodelle und Ordnungsvorstellungen in der Reformationszeit. Leipzig 2014, S. 153-168
    Stefan Michel
  • Landesherrschaft und Reformation: die ersten Visitationen im Saale-Orla-Raum. In: Werner Greiling, Ronny Schwalbe (Hrsg.): Der Altar von Lucas Cranach d. Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation. Köln u.a. 2014, S. 219-232
    Joachim Bauer
  • : Johann von Sachsen (1468–1532). In: Susan Richter, Armin Kohnle (Hrsg.): Herrschaft und Glaubenswechsel. Die Fürstenreformation im Reich und Europa in 28 Biographien. Heidelberg 2016, S. 47-62
    Stefan Michel
  • Die Bedeutung der kursächsischen Visitationen zwischen 1525 und 1531 für die Neuordnung des evangelischen Kirchenwesens. In: Dagmar Blaha, Christopher Spehr (Hrsg.): Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visitationsprotokollen. Leipzig 2016, S. 57-72
    Joachim Bauer
  • Die Entwicklung der Visitationen als Mittel zur Durchsetzung der Kirchenreformation in Kursachsen. In: Werner Greiling, Gerhard Müller, Uwe Schirmer, Helmut G. Walther (Hrsg.): Die Ernestiner. Politik, Kultur und gesellschaftlicher Wandel. Köln u.a. 2016, S. 123-144
    Dagmar Blaha
  • Die Struktur des Weimarer Hofes unter Herzog Johann von Sachsen. In: Christopher Spehr, Michael Haspel, Wolfgang Holler (Hrsg.): Weimar und die Reformation. Luthers Obrigkeitslehre und ihre Wirkungen. Leipzig 2016, S. 44-58
    Dagmar Blaha
  • Die „Weimarer Reformation“ unter Johann dem Beständigen und ihre Bedeutung für die reformatorische und gesellschaftliche Neuordnung in Kursachsen. In: Christopher Spehr, Michael Haspel, Wolfgang Holler (Hrsg.): Weimar und die Reformation. Luthers Obrigkeitslehre und ihre Wirkungen. Leipzig 2016, S. 59-82
    Joachim Bauer
  • Eine kursächsische Klostervisitation aus dem Jahre 1526. In: Dagmar Blaha, Christopher Spehr (Hrsg.): Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visitationsprotokollen. Leipzig 2016, S. 107- 119
    Stefan Michel
  • Herzog Johann und die „Weimarer Reformation“. In: Siegrid Westphal, Hans Werner Hahn, Georg Schmidt (Hrsg.): Die Welt der Ernestiner. Ein Lesebuch. Köln u.a. 2016, S. 32- 38
    Joachim Bauer, Dagmar Blaha
 
 

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