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Mimetische Existenzweisen

Antragstellerinnen / Antragsteller Professor Dr. Friedrich Balke; Professorin Dr. Maria Muhle
Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Geschichte der Philosophie
Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2013 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 213948042
 
Das in der ersten Förderphase gewonnene Verständnis von Mimesis, das die normative Ausrichtung des imitatio-Paradigmas und die damit verbundene philosophische Zähmung (protokollarische Mimesis) infrage stellt, nutzt das TP für seine neue Schwerpunktsetzung: Mimesis soll nicht nur als eine Darstellungstechnik, sondern zugleich als eine Existenzweise betrachtet werden. Am Kreuzungspunkt medienphilosophischer, -historischer und ästhetischer Überlegungen gilt es, das Konzept der Mimetischen Existenzweisen systematisch und historisch zu entfalten. Unter dem Eindruck der Etablierung technischer Analogmedien im 19. Jahrhundert entstehen Theorien, die das Soziale als ein medienbasiertes Nachahmungsgeschehen definieren und in Kategorien der Suggestibilität und der Übertragung fassen (Gabriel Tarde). Wie sich fluktuierende Überzeugungen und Begehrensströme einer Gesellschaft unter digitalen Kommunikationsbedingungen formieren, befragt das TP unter dem Aspekt (exzessiver) Verbreitungsdynamiken am Beispiel digitaler Bildgebungs-, Bilddistributionstechniken und Ästhetiken.Im Anschluss an Roger Caillois' Konzept der Mimese soll der digitale Raum als mimetisches Milieu konzipiert werden, der durch komplexe und nicht-hierarchische Angleichungsgesten zwischen Umwelt und Organismus gekennzeichnet ist. Das gegenwärtige Interesse an der Rolle von Affekten sowie ihren digitalen Modellierungen greift das TP auf, um ein Konzept des Sozioaffekts zu erarbeiten, das die Bedeutung von Prozessen der tendenziellen Verschmelzung von Organismus und technisch-apparativer Umgebung zu beschreiben erlaubt. Das mimetische Spiel von Unterscheidung und Anschmiegung an ein Anderes soll an Transformationen von Personen, Identitäten und ihren Masken untersucht werden, die als spezifische Ausprägungen einer digitalen Mimikry begriffen werden, weil sie die von Caillois unterschiedenen Spielarten der Mimese (Travestie, Tarnung und Einschüchterung) aufgreifen.Das TP befragt Mimesis schließlich unter dem Aspekt ihrer exzessiven Modulationsfähigkeit. Im Mittelpunkt stehen hier die Übergänge und Appropriationen sowie die technische (hohe) Auflösung einer spezifisch digitalen Bildlichkeit. Die Wende von der Manipulation künstlerischen Materials zum Management von Bildern oder Bildpopulationen im digitalen Milieu (David Joselit) erfordert die Ausarbeitung einer transitiven Mimesis, die nicht-deterministische und nicht-kausale Reaggregationen von Bildern bzw. zwischen Bildern fokussiert. Die am Phänomen der HD-Bildlichkeit zu beobachtende spezifische Virtualität (Gilles Deleuze) erlaubt es, Mimesis von der notorischen Nachahmung eines Vor-Bildes in den Bereich eines Vor-dem-Bild zu verschieben: Mimesis wird hier als ein Bildwerden (devenir image) greifbar, das nur im Rahmen spezifischer Realisierungsmilieus Gestalt annimmt, woraus die extreme Flexibilität und Wandlungsfähigkeit der abgeleiteten Bildformen folgt.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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