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Mimesis tropical

Antragsteller Dr. Stephan Gregory
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 213948042
 
Ausgehend von Benjamins Satz, dass das „mimetische Vermögen“ „eine Geschichte“ hat (Benjamin 1980 210), zielt das Teilprojekt auf eine vergleichende historische Untersuchung verschiedener ‚Politiken der Mimesis‘. Gemeint sind die unterschiedlichen Formen, mimetische Potenziale in Gebrauch zu nehmen, sie zu einem Prinzip der kulturellen Reproduktion und Erweiterung zu machen oder aber sie einzudämmen und in Schach zu halten.Gegenstand sind die mimetischen Praktiken und Regulationsweisen verschiedener Kolonialsysteme, die vom 16. bis zum 18. Jahrhundert auf brasilianischem Boden Fuß gefasst haben. Der Wahl des kolonialen Schauplatzes liegt die Vermutung zugrunde, dass sich die Besonderheit einer mimetischen Ordnung am ehesten im Augenblick ihrer Herausforderung durch ein ‚fremdes‘ Nachahmungssystem zu erkennen gibt. Für die Kolonisatoren stellen mimetische Handlungen eine überaus wirksame, aber auch gefährliche Waffe dar. Umso wichtiger ist es, die Macht der Nachahmung in beherrschbaren Bahnen zu halten. So entwickeln die unterschiedlichen Kolonialregime ihre jeweils eigenen Verfahren, Medien, Techniken und Programme, um die Kräfte der Nachahmung strategisch zu nutzen und zugleich ihre Gefahren und Verlockungen zu begrenzen.Folgende vier Komplexe sollen im Hinblick auf die darin wirksamen Politiken der Mimesis untersucht werden: 1) Die portugiesische Kolonisierung (ab ca. 1503) Hier fällt vor allem die relativ freizügige Mischungspolitik auf, deren Effekte nicht nur auf familiärer und politischer, sondern besonders auch auf religiöser und kultureller Ebene greifbar sind. Es bleibt abzuwarten, ob im Vergleich der unterschiedlichen Anpassungs- und Mischungseffekte so etwas wie ein gemeinsames Muster, eine spezifisch ‚portugiesische‘ Regulationsweise des Mimetischen hervortritt.2) „La France Antarctique“ (1555–1567)Das kurzlebige französische Kolonialprojekt in der Bucht von Rio de Janeiro ist reich an hochkomplexen mimetischen Verwicklungen. Von besonderem Interesse ist der vor tropischer Kulisse ausgetragene Abendmahlsstreit zwischen katholischen und calvinistischen Siedlern. Zugleich wirft die von den benachbarten Tupinambá praktizierte Anthropophagie ein bizarres Licht auf das mimetische Versprechen der christlichen Eucharistie: „Dies ist mein Fleisch.“ 3) Das jesuitische System der „Reduções“ (1604–1767)Der Erfolg des jesuitischen Missions- und Siedlungssystems in Südamerika beruhte auf einem außerordentlich entwickelten ‚mimetischen Vermögen‘. Davon zeugt nicht nur die Umarbeitung des indigenen Tupí zur Missions- und Verkehrssprache der lingua geral, sondern auch die weitgehende Bereitschaft, die christliche Botschaft dem Code der Empfänger anzupassen. Die Konsequenz dieses Vermittlungsprogramms, das sich in Kirchenarchitektur und Malerei ebenso zeigt wie in der Liturgie, der Kirchenmusik oder in den kommunalen Theaterprojekten, erlaubt es, von einem spezifisch jesuitischen Dispositiv der kolonialen Mimesis zu sprechen.4) Niederländisch-Brasilien (1624–1654)Das Kolonialregime der niederländischen Westindien-Kompanie sticht durch seine ‚wissenschaftliche‘ Ausrichtung hervor. Auf der Ebene der Naturbeschreibung wie der Ethnografie findet sich hier das Interesse an einer ‚realistischen‘ Darstellung der kolonialen Wirklichkeit, nicht zuletzt zum Zweck ihrer besseren Beherrschbarkeit. Mit dem Maler Frans Post, der der brasilianischen Natur mit den Kompositionsgesetzen und Geräten der Haarlemer Vedutenmalerei zu Leibe rückt, kommen auch die neuen optischen Medien ins Spiel, die die mimetische Angleichung an die Natur zu einer Frage der technischen Herstellung machen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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