Ultrastrukturelle und immunhistochemische Untersuchungen der Organogenese bei Nemertea zur Klärung ihrer Stellung im System der Metazoa
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Projekt wurden erstmals die basal abzweigenden Gruppen ("Palaeonemertinen") der Nemertea in Hinblick auf ausgewählte Organe der Adultorganisation und der Larvalentwicklung mit ultrastrukturellen, immunhistochemischen und histologischen Methoden vergleichend untersucht. Insgesamt wurden fünf Arten hinsichtlich der larvalen Organisation, der Differenzierung des Nervensystem und der Muskulatur bearbeitet, von 17 Arten wurde das adulte Nervensystem rekonstruiert und kodiert, von 12 Arten die Spermien analysiert und kodiert und für 38 Arten Literatur‐ und eigene Daten zu den Nierenorganen kodiert. Die Fokussierung auf palaeonemertine Arten zeigt nicht nur klar deren Paraphylie, es ergibt sich auch ein stark verändertes Bild des Grundmusters dieser Gruppe. So lag das Nervensystem ursprünglich basiepidermal und bestand aus nur zwei Loben, die durch eine kräftige ventrale und mehrere dorsale Kommissuren oberhalb und unterhalb des Rhynchcoels verbunden waren. Die Larve im Grundmuster der Nemertinen besaß Protonephridien, die wahrscheinlich transitorische Organe waren und hier erstmals beschrieben wurden. Ebenfalls erstmals beschrieben wurden pigmentierte ciliäre Larvalaugen bei Nemertinen. Sie stellen vielleicht die größte Überraschung dar. Der Darmkanal der Larve ist sackförmig; der After entsteht erst nach der Metamorphose. Interessanterweise ist die larvale Epidermis transitorisch; sie wird durch eine definitive Epidermis ersetzt, die sich unterhalb der larvalen differenziert. Die Muskulatur besteht im Grundmuster aus äußerer Ring und innerer Längsmuskulatur, die sich entlang eines dorsal‐ventralen und eines Gradienten von der Mundöffnung nach vorn und hinten entwickelt, der bisher noch nicht für die Spiralia beschrieben worden war. Die frühesten neuronalen Elemente in der Entwicklung des Nervensystems zeigen Serotonin‐Immunreaktivität und sind anfänglich mit der Epidermis über einen Fortsatz verbunden; eine Ko‐expression von RF‐amid‐ähnlichen Substanzen fehlt. Aus wenigen, am apikalen und am caudalen Pol der Larven gelegenen Zellen entwickelt sich zunächst ein peripherer Plexus. Das Hirn bildet sich vor dem Darm und weist zeitgleich sowohl serotonin‐ als auch RF‐amid‐ähnlichen Elemente auf. Ausgehend vom Hirnring wachsen nach posterior ein Paar lateraler Markstränge aus, zunächst in Form von Neuritenbündeln. Während die Perikaryen der RF‐amid‐ähnlichen Neurone bei allen untersuchten Arten Teile des Hirnrings darstellen, sind die serotoninähnlichen Perikaryen bei den untersuchten Hoplonemertinen‐Arten hinter dem Hirnring bilateral um die Markstränge angeordnet. Es wurde gezeigt, dass der periphere Plexus später RF‐amid‐ähnliche Neuriten‐Signale zeigt. Bei Nemertinen entsteht das adulte Nervensystem im pelagischen Stadium und wird in die Adult‐Organisation übernommen; ein spezifisches larvales Nervensystem existiert nicht. Im Vergleich mit den übrigen Spiralia stützen die Befunde sie Hypothese einer Schwestergruppenbeziehung zwischen Nemertinen und Trochozoen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Ultrastructure and development of the rhabdomeric eyes in Lineus viridis (Heteronemertea, Nemertea). Zoology, 110: 430‐438
Döhren J.v. & Bartolomaeus T.
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(2009). Larval development with transitory epidermis in Paranemertes peregrina and other hoplonemerteans. Biol. Bull., 216: 273‐292
Maslakova S.A. & Döhren J.v.
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(2009). Phylogeny and mitochondrial gene order variation in Lophotrochozoa in the light of new mitogenomic data from Nemertea. BMC Genomics 2009, 10:364
Podsiadlowski L., Braband A., Struck T.H., Döhren J.v. & Bartolomaeus T.
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(2010). Comparative morphology and evolution of the nephridia in Nemertea. J. Nat. Hist., 44: 2255‐2286
Bartolomaeus T. & Döhren J.v.
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2010). Comparative sperm ultrastructure in Nemertea. J. Morph., 217: 793‐813
Döhren J.v., Beckers P., Vogler R. & Bartolomaeus, T.
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(2011). The fate of the larval epidermis in the Desor‐larva of Lineus viridis (Pilidiophora, Nemertea) displays a historically constrained functional shift from planktotrophy to lecithotrophy. Zoomorph., 130: 189‐196
Döhren J.v.