Wissenstransfer zwischen Zentrum und Peripherie. Das Beispiel multinationaler Unternehmen in Deutschland, Argentinien und Uruguay
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt analysierte den Standort übergreifenden Wissenstransfer innerhalb multinationaler Unternehmen aus der Perspektive der Weltmarktperipherie. Am Beispiel argentinischer Operationen von drei deutschen Unternehmen aus den Bereichen Consulting, IT- Dienstleistungen und Chemie wurden die Mechanismen des geographischen Wissenstransfers mit gemischten Methoden untersucht. Die empirische Datengrundlage bildeten eine standardisierte Onlinebefragung, die Daten über den Wissenstransfer von über 600 Mitarbeitern sichtbar machte, und über 100 nicht-standardisierte persönliche Interviews mit ausgewählten Mitarbeitern der Unternehmen in Argentinien und Deutschland. Die empirischen Ergebnisse leisten Beiträge für zwei wissenschaftliche Debatten: (1) In organisatorischer Perspektive wurde mithilfe quantitativer Methoden der sozialen Netzwerkanalyse gezeigt, dass der Standort übergreifende Wissenstransfer maßgeblich über persönlichen Austausch und nur in geringem Umfang über technische Systeme erfolgte. Die grundsätzlichen Enwartungen der 1990er Jahre an Computer gestützte Wissensmanagementsysteme sind offensichtlich in der Praxis nicht erfüllt worden. Die wichtigsten Faktoren der Struktur interpersoneller Wissensnetzwerke waren hingegen die hierarchische und geographische Arbeitsteilung eines Unternehmens. Mitarbeiter nutzten vor allem dann den persönlichen Wissensaustausch, wenn Sie am gleichen Standort und auf ähnlichen hierarchischen Positionen beschäftigt waren. Als Folge zeichneten sich die globalen Wissensnetzwerke durch eine hohe Vulnerabilität aus, d.h. die globalen Pfade der interpersonellen Kommunikation wurden nur durch wenige Schlüsselpersonen aufrecht erhalten, ohne die die Netzwerke in räumlich isolierte Experteninseln zerfallen würden. Aufgrund der indirekten und schwer messbaren Wirkung von Maßnahmen zur Unterstützung des interpersonellen Wissenstransfers haben Unternehmen häufig nur begrenzte Anreize und begrenztes Wissen, die nicht-technische Wissenszirkulation zu unterstützen. Empirisch zeigt sich, dass meist nur langfristige Engagements von Mitarbeitern im Ausland zu dauerhaften Standort übergreifenden Austauschbeziehungen führen. (2) In geographischer Perspektive zeigte die qualitative Interviewanalyse, dass kleine Märkte an der Peripherie des Weltmarkts keineswegs nur marginale Absatznischen und einseitige Wissensempfänger sein müssen. Aufgrund des Mangels an finanziellen und Wissensressourcen für FuE-Aufgaben konzentrierten sich Unternehmen auf strategische Aspekte des Marketings und die Entwicklung innovativer Leistungsangebote. So wurden z.B. nicht nur Sachgüter an Kunden verkauft, sondern in kompletten D/ensfleistungen applizierte Sachleistungen. Die bewährte Erprobung neuer Leistungsangebote führte mehrfach zum Transfer in andere Märkte und Divisionen des globalen Unternehmens. Trotz des technologischen Wissensgefälles zwischen Zentrum und globaler Peripherie konnten die Unternehmensteile in Argentinien Lerneffekte mit Kunden und strategische Marketingentwicklungen in das globale Unternehmen übertragen und so zur Innovation und Verbreitung von erfolgreichen Praktiken beitragen. Damit erfahren auch kleine und periphere Märkte grundsätzliches Innovationspotenzial und können als Quellen für neues Wissen in betrieblichen Wissensnetzwerken fungieren. Die Untersuchung leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zu der aktuellen Diskussion um die Innovativität von Dienstleistungen, in der die Verschmelzung von Sach- und Dienstleistungen im Prozess der Hybridisierung näher beforscht wird.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2007) Economic geography and the evolution of networks. Journal of Economic Geography, 7:619-34
Glückler, J.