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Mikro-evolutionäre Einflüsse von Urbanisierung auf das Verhalten von Tieren

Antragsteller Dr. Philipp Sprau
Fachliche Zuordnung Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Förderung Förderung von 2013 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 242327391
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die weltweite Zunahme der Verstädterung stellt Tiere vor große Herausforderungen. Veränderte mikroklimatische Bedingungen, wie erhöhte Temperatur, Nachtlicht, Lärm und menschliche Aktivität können sowohl zu Verhaltensanpassungen, als auch zu Änderungen lebensgeschichtlichen Entscheidungen führen. Ziel dieses Projektes war es zu untersuchen, ob bzw. in welcher Ausprägung Umweltbedingungen in städtischen Gebieten tatsächlich Änderungen im Verhalten und in lebensgeschichtlichen Entscheidungen hervorrufen und somit einen Selektionsdruck ausüben. Dafür wurde eine Nistkasten-Population von Kohlmeisen, Parus major, entlang verschiedener Stadt-Land-Gradienten in München etabliert. Die 100 an öffentlichen sowie 73 an privaten Standorten aufgehängten Nistkästen wurden regelmäßig kontrolliert um das Brutgeschehen zu erfassen. An den jeweiligen Standorten wurden die Umwelteigenschaften (d.h. Licht, Lärm, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, menschliche Aktivität) mit Hilfe von Datenloggern und Beobachtungen quanitifizert. Die Nistkästen an privaten Standorten wurde zudem mit Kameras versehen, die eine Bildübertragung des Brutgeschehens ermöglichten. Alle brütenden Kohlmeisen sowie ihre Jungen wurden vermessen und beringt und die Elterntiere wurden wiederholt Verhaltenstests (Aggression und Fluchtverhalten) ausgesetzt. In einer ersten Studie wurden die Reproduktions- und Umweltdaten der Stadtpopulation mit ländlichen Waldpopulationen verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass Stadtvögel früher anfangen zu brüten, kleinere Gelege haben und die Jungvögel beim Ausfliegen weniger gut genährt sind als ihre Artgenossen im Wald. Die Messungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Licht und Lärm ergaben zwar unterschiedliche Werte in der Stadt und auf dem Land. So war in der Stadt die Luftfeuchtigkeit am geringsten, die Temperatur am höchsten und das Nachtlicht am hellsten. Allerdings konnte keine direkte Beziehung zwischen diese Umweltfaktoren und der Fitness der Jungvögel gefunden werden. In einer weiteren Studie wurden mögliche Verhaltensanpassungen von Kohlmeisen an ein Stadtleben untersucht. Das wiederholte Messen von Verhaltensreaktionen (Aggression und Fluchtverhalten) der Vögel aus der Stadtpopulation ermöglichte es, plastische Reaktionen von Verhaltenstypen in Abhängigkeit von Umweltfaktoren (menschliche Aktivität) zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass Individuen ihr Verhalten nicht plastisch anpassten, aber dass Verhaltenstypen nicht zufällig in Bezug auf das Urbanisierungsgrad verteilt waren: In Gebieten mit vielen Autos und wenigen Fußgängern traten kühne Vögel häufiger auf, während schüchterne Individuen überwiegend in Gebieten mit weniger Autos und vielen Fußgänger auftraten. Diese Erkenntnisse implizieren dass städtische Umgebungen eine wichtige Rolle für das Auftreten von Verhaltenstypen spielen, dass aber trotz der vorhandenen Unterschiede in Umweltfaktoren zwischen Stadt- und Landgebieten, keine messbaren lebensgeschichtlichen Konsequenzen aus diesen Unterschieden resultieren. Insgesamt zeigt das Projekt die Notwendigkeit der vollständigen Integration von Umweltfaktoren bei der Untersuchung nach den Auswirkungen von Verstädterung auf Ökosysteme. Das Projekt stellt einen Meilenstein im Bereich Citzien Science. Während sich die meisten Citizen Science Projekte auf eher einfache Aufgaben mit zum Teil hoher Fehlerhaftigkeit beschränkten (z.B. Vogelzählungen), wurde von den Bürgern in diesem Projekt eine Datenaufnahme gefordert, die der professionellen Datenaufnahme angelehnt war. Bürgerinnen und Bürgern haben in diesem Projekt das Brutgeschehen (u.a. Anzahl gelegter Eier, Brutbeginn, Schlüpftag, Anzahl Nestlinge, Tag des Ausflugs) dokumentiert und damit maßgeblich zum Erfolg des Projektes beigetragen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017) An approach to distinguish between plasticity and non-random distributions of behavioural types along urban gradients in a wild passerine bird. Frontiers in Ecology and Evolution, 5
    Sprau, P. & Dingemanse, N.J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fevo.2017.00092)
  • (2017) Does Urbanization Affect Predation of Bird Nests? A Meta-Analysis. Frontiers in Ecology and Evolution, 5
    Vincze, E., Seress, G., Lagisz, M., Nakagawa, S., Dingemanse, N.J. & Sprau, P.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fevo.2017.00029)
  • (2017) Measurement artefacts lead to false positives in the study of birdsong in noise. Methods in Ecology and Evolution
    Brumm, H., Zollinger, S.A., Niemelä, P.T. & Sprau, P.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/2041-210X.12766)
  • (2017) Multidimensional environmental predictors of variation in avian forest and city life histories. Behavioral Ecology, 28, 59-68
    Sprau, P., Mouchet, A. & Dingemanse, N.J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/beheco/arw130)
 
 

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