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Bedeutung der Interferenz von Aminoglykosiden mit der Selenoprotein Biosynthese

Antragsteller Dr. Kostja Renko
Fachliche Zuordnung Endokrinologie, Diabetologie, Metabolismus
Ernährungswissenschaften
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 244526763
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel des Projektes bestand in einer detaillierten Erforschung und Bewertung von Effekten der Antibiotikaklasse von Aminoglykosiden (AG) auf die Biosynthese von Selenoproteinen. Selenoproteine sind eine kleine Gruppe von Proteinen, bei denen Selenocystein (Sec) während der Translation eingebaut wird. Die Kodierung des Sec-Einbaus erfolgt durch Umkodierung eines Stopp-Kodons (UGA) anhand eines 3’untranslatierten in sich gefalteten RNA-Motivs, der sog. Sec-Insertionssequenz (SECIS). AG bewirken einen Fehleinbau von Aminosäuren während der Translation, und durch die Verwendung des UGA Kodons könnte dieser Effekt für die Biosynthese der Selenoproteine besonders gravierend sein. Die medizinische Relevanz des Themas besteht zum einen in der hohen Toxizität dieser in der Klinik in Anwendung befindlichen Antibiotika, zum anderen in der essentiellen Bedeutung eines reibungslosen Metabolismus von Selen (Se) und einer gesicherten Funktionsfähigkeit der Selenoproteine und dem möglichen Zusammenhang beider Effekte. Eine sich bereits in den Vorarbeiten abzeichnende, hohe Sensibilität der Biosynthese des Selentransporters Selenoprotein P (SEPP1) gegenüber den disruptiven Effekten der AG konnte in vitro in unterschiedlichen Zelllinien und Spezies-unabhängig bestätigt werden. Die Biosynthese anderer Selenoproteine, wie beispielsweise den Glutathionperoxidasen oder Dejodasen, war weitaus weniger stark betroffen. Die gesteigerte Synthese von SEPP1 führte zu Se-armen bzw. sogar Se-freien Varianten dieses Proteins. Mittels LC-MS Technologie konnte hier ein detaillierter Einblick in die veränderte Primärstruktur des fehlerhaft codierten Selentransporters gewonnen werden, wobei das kodierte Sec teilweise durch Cystein, Tryptophan oder Arginin ersetzt war. Interessanterweise konnte eine zusätzliche Gabe von Selenit diese AG-abhängigen Fehler unterdrücken, so dass Se-reiches SEPP1 auch in Gegenwart der AG synthetisiert wurde. Solch eine Se-Supplementation konnte allerdings die Synthese von Se-freiem SEPP1 nicht vollständig unterdrücken, sondern nur das Verhältnis Se-armer zu Se-reicher SEPP1-Varianten positiv verändern. Starke Effekte der AG auf die Expression der Dejodasen wurden nur in Situationen der rekombinanten Überexpression festgestellt. Dabei erwiesen sich im Aktivitätsassay die zusätzlich synthetisierten und Se-freien Varianten dieser Selenoproteine funktionell inaktiv und damit physiologisch neutral. Generell zeigten sich im Vergleich der verschiedenen AG die weitaus stärksten Effekte bei Verwendung von Geneticin (G418). Mittels eines neuen Sec-abhängigen Reporterassay wurde der Basenkontext des UGA-Kodons für die disruptiven Effekte der AG auf die Sec-Insertion systematisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass das Nukleotid nach dem UGA-Kodon (Position +4) auch für die Selenoprotein-Biosynthese starke Effekte auf die Durchleserate vermittelt. Zusätzlich wurde offenbar, dass eine zusätzliche Supplementation der Zellen mit Se die AG-abhängige Induktion der Biosynthese von Selenoproteinen herabsetzt, was für UGA-Kodons ohne den Selenoprotein Kontext nicht der Fall ist. Um zu testen, inwieweit die klinische Anwendung von AG einen Einfluss auf die Se-Homöostase haben könnte, wurde Serum von Gentamicin-behandelten Säuglingen mit neonataler Sepsis analysiert. Es zeigte sich ein schwacher aber signifikanter Zusammenhang zwischen den AG-Konzentrationen und dem Se-Status der pädiatrischen Patienten; hier sollte in Folgestudien die Bedeutung dieser Interferenz genauer analysiert werden. Zusätzlich wurde die physiologische Bedeutung der potentiellen Interaktion von AG und Selenoprotein Biosynthese in einem in vivo Modell untersucht. Hier wurde, unabhängig vom Se-Status der Mäuse, kein Effekt einer AG Gabe auf den Se-Status und die Selenoprotein Biosynthese gefunden. Auch konnten neben Gentamicin und dem sich nicht in klinischer Anwendung befindlichen AG G418 keine weiteren Antibiotika identifiziert werden, die mit ähnlicher Potenz Einfluss auf die Synthese der Selenoproteine Einfluss nehmen. Allerdings stärken unsere Erkenntnisse die Evidenz hinsichtlich der positiven Wirkung eines ausreichend hohen Se-Status in Situationen einer Sepsis unter AG-Behandlung, da wir grundsätzlich die postulierten disruptiven Effekte von AG auf die Biosynthese von Selenoproteinen bestätigt fanden, und ein Se-Mangel in vitro diese Interferenz, die mit der Toxizität der AG zusammenhängen könnte, deutlich verstärkte. Insofern unterstreichen unsere experimentellen Daten, dass ein ausgeprägtes Selendefizit einen vermeidbaren Risikofaktor bei der AG-basierten Therapie von Infektionserkrankungen darstellen dürfte. Diese Hypothese sollte für weiterreichende Empfehlungen in entsprechenden Interventionsstudien überprüft werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015). An improved nonradioactive sccreening method identifies genistein and xanthohumol as potent inhibitors of iodothyronine deiodinases. Thyroid 25, 962–968
    Renko, K., Schäche, S., Hoefig, C.S., Welsink, T., Schwiebert, C., Braun, D., Becker, N.-P., Köhrle, J., and Schomburg, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1089/thy.2015.0058)
  • (2016). A non-radioactive DEHAL assay for testing substrates, inhibitors and monitoring endogenous activity. Endocrinology en.2016-1549
    Renko, K., Hoefig, C.S., Dupuy, C., Harder, L., Schwiebert, C., Köhrle, J., and Schomburg, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1210/en.2016-1549)
  • (2016). Factors impacting the aminoglycoside-induced UGA stop codon readthrough in selenoprotein translation. Journal of Trace Elements in Medicine and Biology 37, 104–110
    Martitz, J., Hofmann, P.J., Johannes, J., Köhrle, J., Schomburg, L., and Renko, K.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jtemb.2016.04.010)
  • (2016). Selenium status in neonates with connatal infection. British Journal of Nutrition FirstView, 1–10
    Wiehe, L., Cremer, M., Wisniewska, M., Becker, N.-P., Rijntjes, E., Martitz, J., Hybsier, S., Renko, K., Bührer, C., and Schomburg, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1017/S0007114516002208)
  • (2017). Aminoglycoside-driven biosynthesis of selenium-deficient Selenoprotein P. Scientific Reports 7, 4391
    Renko, K., Martitz, J., Hybsier, S., Heynisch, B., Voss, L., Everley, R.A., Gygi, S.P., Stoedter, M., Wisniewska, M., Köhrle, J., et al.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41598-017-04586-9)
  • (2017). Sex-specific and inter-individual differences in biomarkers of selenium status identified by a calibrated ELISA for selenoprotein P. Redox Biology 11, 403–414
    Hybsier, S., Schulz, T., Wu, Z., Demuth, I., Minich, W.B., Renko, K., Rijntjes, E., Köhrle, J., Strasburger, C.J., Steinhagen-Thiessen, E., et al.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.redox.2016.12.025)
 
 

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