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Transgenerationale Übertragung von traumatischen Kindheitserfahrungen: Die Mutter-Kind-Interaktion bei traumatisierten Müttern mit Borderline-Pesönlichkeitsstörung

Fachliche Zuordnung Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendspychiatrie
Förderung Förderung von 2013 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 246596363
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Wenn eine Frau in ihrer eigenen Kindheit belastende Erfahrungen gemacht hat, kann sich dies später auf das mütterliche Fürsorgeverhalten ihrem eigenen Kind gegenüber auswirken. Vermittelt über die Mutter-Kind-Interaktion kann es zu einer transgenerationalen Transmission mit Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung kommen. Dieser Zusammenhang ist bei kindheitsbelasteten Müttern mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und ihren Kindern bisher kaum untersucht. Ziel des aktuellen Projektes war es daher zu untersuchen, wie sich mütterliche Kindheitsbelastung und Borderline-Persönlichkeitsstörung auf das mütterliche Verhalten gegenüber dem eigenen Kind und auf Entwicklung, Psychopathologie und Lebensqualität der Kinder auswirken. Ein weiteres Ziel bestand darin, psychosoziale und (neuro)biologische Mechanismen der Transmission zu identifizieren. Der Vergleich mit einer Stichprobe von Müttern mit Kindheitsbelastung und remittierter Depression (aus einem inhaltlich verknüpften BMBF-Projekt) ermöglichte es, differenzielle Effekte von belastenden Kindheitserfahrungen bei Müttern mit Borderline-Persönlichkeitsstörung versus remittierter Depression zu identifizieren. Ein wesentliches Ergebnis unserer Untersuchungen ist, dass sich Mütter mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung qualitativ anders verhalten als Mütter mit einer remittierten Depression: Mütter mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zeigten eine vermehrte Hostilität gegenüber ihren Kindern, während mütterliche Depression in Remission mit verminderter Feinfühligkeit assoziiert war. Die belastende Kindheitserfahrung hatte bei diesen Müttern mit manifester psychischer Erkrankung keinen zusätzlichen Einfluss. Mütterliche Borderline-Persönlichkeitsstörung war mit einer erhöhten Anzahl kindlicher psychiatrischer Diagnosen sowie externalisierenden und internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten auf Seiten des Kindes assoziiert. Die vermehrte Hostilität der Mütter erwies sich dabei als Mediator des Effekts von mütterlicher Borderline-Persönlichkeitsstörung auf kindliche Psychopathologie. Bei Müttern mit Depression in Remission erwies sich dagegen die verminderte Feinfühligkeit als Mediator des Effekts der Depression auf die (vorwiegend internalisierende) kindliche Psychopathologie. Im Gegensatz zu mütterlicher Depression in Remission hatten belastende Kindheitserfahrungen der Mütter und mütterliche Borderline-Persönlichkeitsstörung in unseren Stichproben keinen signifikanten Einfluss auf die kindliche Lebensqualität. Dagegen waren alle drei Faktoren mit einem erhöhten mütterlichen Misshandlungspotenzial assoziiert, welches wiederum mit vermehrter kindlicher Psychopathologie assoziiert war. Der Zusammenhang von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Misshandlungspotenzial wurde durch mütterliche Defizite in der Emotionsregulation vermittelt. Mütter mit belastender Kindheit Erfahrung zeigten erniedrigte Oxytocin-Spiegel im Plasma und erhöhte Haar-Cortisol-Spiegel, unabhängig von einer eventuell zusätzlich bestehenden mütterlichen psychischen Störung. Mütterliches Cortisol korrelierte positiv mit mütterlichem Misshandlungspotenzial, und der Zusammenhang zwischen Misshandlungserfahrung und Misshandlungspotenzial wurde durch mütterliches Haar-Cortisol meditiert. In unseren strukturellen bildgebenden Analysen fanden wir eine Assoziation von belastenden Kindheitserfahrungen mit Volumenminderungen in Arealen, die eine Rolle spielen bei Emotionsregulation (Gyrus frontalis superior), Stressverarbeitung und Gedächtnisprozessen (Hippocampus). In unseren funktionellen bildgebenden Untersuchungen zeigten Mütter mit Borderline-Störung in Reaktion auf traurige Gesichter des eigenen Kindes eine verminderte Aktivierung in Amygdala, Hippocampus und orbitalem Teil des mittleren frontalen Gyrus. Zusammengefasst zeigten Mütter mit belastender Kindheitserfahrung und Borderline-Persönlichkeitsstörung charakteristische Veränderungen in der Interaktion mit ihrem Kind (u.a. vermehrte mütterliche Hostilität). Das veränderte mütterliche Verhalten hatte Einfluss auf die Psychopathologie des Kindes und war - auf endokriner Ebene - mit Veränderungen des Oxytocin- und Cortisol-Systems sowie - auf neuraler Ebene - mit Veränderungen emotionsverarbeitender, stressregulierender und Gedächtnis-bezogener Gehirnareale assoziiert. Unsere Befunde liefern konkrete psychosoziale und (neuro)biologische Ansatzpunkte für künftige spezifische präventive und therapeutische Anstrengungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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