Spiel-Räume der Demokratie. Theaterbau in der Bundesrepublik 1949-1975
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die besondere Rolle von Theaterbauten in der frühen Bundesrepublik in mehrfacher Hinsicht deutlich. Die Baugattung war ein zentrales Aushandlungsfeld für eine demokratische Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Wie im Zuge der Forschungsarbeit nachgewiesen wurde, erschien es zeitgenössisch nicht als Widerspruch, dass jeweils ein relativ hermetischer Kreis aus wenigen Expert*innen an den Planungsentscheidungen beteiligt war, die Bauten aber dennoch als demokratisch legitimiert erschienen. Zweitens konnte nachgewiesen werden, dass der Bau von Theatern als öffentlichen Versammlungsstätten unter besonderem Legitimationsdruck stand und dass die Bauten dementsprechend in hohem Maße als baulicher Rahmen und als Manifestation gesellschaftlicher, demokratisch verstandener Strukturen rezipiert wurden. Konkret ließ sich dies anhand der Gestaltung der Zuschauersäle nachweisen, wobei sich besonders in der Gruppierung der Sitzplätze der Anspruch manifestierte, die Architektur als angemessenen Rahmen und als Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen zu gestalten. Darüber hinaus konnte ich die spezifische Rolle von Theaterbauten als Medium im politischen Raum beschreiben: Auf kommunaler Ebene waren die entsprechenden Bauprojekte vielfach Ausdruck einer Konkurrenz zwischen einzelnen (oft benachbarten) Städten. Diese Konkurrenz habe ich als ein zentrales Motiv für die – innerhalb des untersuchten Zeitraums bis 1975 – immer größer werdenden und immer aufwändiger ausgestatteten Spielstätten identifiziert. Gleichzeitig dienten einzelne Theaterbauten auch als Medium einer zwischenstaatlichen Rivalität, insofern sich die Systemkonfrontation zwischen Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik ganz konkret im Bau der 1961 eröffneten Deutschen Oper im Westteil Berlins manifestierte, die ich als Gegenbau zur 1955 nach Kriegsschäden verändert wiederaufgebauten Staatsoper im Ostteil der Stadt verstehe. Zugleich dienten ausgewählte Theaterbauten, wie ich in einem letzten Kapitel zeigen konnte, auch als Medien der Selbstdarstellung der Bundesrepublik, wie exemplarisch anhand von internationalen Architekturausstellungen nachgewiesen werden konnte, auf denen Theaterbauten vorgestellt wurden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- „Ästhetische Kirchen“ – Zur Auratisierung von Theaterbauten der Nachkriegszeit, in: Auratische Räume der Moderne, hg. v. Anna Minta, Frank Schmitz. Kritische Berichte 2/2016, S. 112–122
Frank Schmitz
- Die Angst vor dem Nationaltheater. Das Bonner Theater (1962–1965) als Medium staatlicher Selbstdarstellung, in: kunsttexte 4/2017
Frank Schmitz
(Siehe online unter https://doi.org/10.18452/18638) - Ein „gläserner“ Streit. Hybride Planungsstrukturen beim Neubau der Hamburgischen Staatsoper (1953–55), in: Ders.: Hanseatisch modern. Texte zu Architektur und Stadtgesellschaft in Hamburg, Berlin 2019, S. 27–48
Frank Schmitz
(Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783786175063-27)