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Ausformung und Erbe des brasilianischen Konstruktivismus und des Neoconcretismo im transkulturellen Kontext der westdeutschen Modernitätsvorstellungen der 1950er und 1960er Jahre

Antragstellerin Dr. Susanne Neubauer
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249387263
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt untersucht die Entwicklung deutscher Modernitätsvorstellungen im Kontext der Kulturdiplomatie der Bundesrepublik anhand der in Deutschland zwischen 1945 und 1960 erscheinenden brasilianischen Kunst. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Internationalisierungsbestrebungen deutscher Kunsthistoriker wie Ludwig Grote und deutscher Museen wie dem Haus der Kunst in München nach 1945, kulturpolitisch motivierte Ausstellungen wie die „Ausstellung brasilianischer Künstler“ (1959), „Lasar Segall“ (1960) und „Brasilien baut“ (1955/56), letztere wurde als Wanderausstellung u.a. vom Deutschen Werkbund veranstaltet und befeuerte die hitzige Debatte um die Architektur des Wiederaufbaus. Nebst den deutschen Beteiligungen und den kulturpolitischen Verstrickungen der Teilnahme Paul Klees an den ersten Biennalen in São Paulo ist auch die Museumspolitik des Museu de Arte in São Paulo Gegenstand der Untersuchung, die die Ausstellung „Meisterwerke aus São Paulo“ auf europäische Ausstellungstour schickte. Im Kontext der Debatte um die Festschreibung der euroamerikanischen Moderne auf globaler Ebene untersucht das Projekt durch einen historischen und zeitgenössischen Werkvergleich von Alfredo Volpi und Giorgio Morandi die These, dass Ein- und Ausschlüsse außereuropäischer Kunst in den euroamerikanischen Kanon auf der Basis von Urteilen der Kennerschaft und der Ästhetik vorgenommen wurden – Kategorien, die in der diskursdominierenden critical art history jedoch ausgeklammert sind. Untersuchungen zu neuen pädagogischen Ansätzen zeigen, dass diese in Brasilien als demokratisierendes Mittel in Politik, Schulen und Museen Eingang fanden, wohingegen in Deutschland bis in die 1960er Jahre auf eine unpolitische, musische Erziehung gesetzt wurde. Durch eine breite Archivrecherche, die eine „Moderne in Nahsicht“ erlaubt, ist es zentrales Projekt der Untersuchung, alternative Narrative zu den traditionellen westlichen Vorstellungen, was „Moderne“ zu sein hat, vorzuschlagen. Das Forschungsprojekt gliedert sich in aktuelle Diskussionen um die Pluralität der Modernen und um alternative Modelle der Kunstgeschichtsschreibung ein. Durch die intensive Recherche bisher unerforschter Archivalien hat die Forschung aufgezeigt, dass die Beschäftigung außereuropäischer Kunst einzig durch eine solche zu erfolgen hat. Im Gegensatz zu Projekten westlicher Forschender zu nichtwestlicher Kunst ist das vorliegende Projekt durch einen zweifachen Perspektivwechsel gekennzeichnet, was für die Forschung sowohl für die deutsche Kunstgeschichte, als auch für die brasilianische Kunstgeschichte von entscheidender Bedeutung ist. Durch den Blick der „Anderen“, der durch intensive Recherche an Familiarität gewinnt, auf unsere eigene Geschichte, erscheint eine wirkliche transkulturelle Kunstgeschichtsschreibung möglich zu werden. Dieser doppelte Perspektivwechsel, der eine zweifache Nahsicht erlaubt, unterscheidet sich von bisherigen Ansätzen zur globalen Kunstgeschichte wie dem geopolitischen (Thomas DaCosta Kaufmann), dem horizontalen (Piotr Piotrowski, Boaventura de Sousa Santos, James Elkins), dem ausgleichenden (Romain Bertrain) oder dem zirkulatorischen (Michel Espagne). Entscheidender Unterschied ist die u.a. auch von Béatrice Joyeux-Prunel geforderte Verdichtung der Narrative, die unterschiedliche Blickwinkel einbezieht. Die Forschungsarbeit wurde entscheidend aus und mit den Archiven vorangetrieben und thematisiert die daraus sich ergebenden historischen Lücken. Fakten erhalten dadurch eine kontextualisierende Ebene, die gerade in heutiger Zeit besonders gefordert ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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