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Paisij Velickovskij (1722-1794) und sein Werk.Die Rückkehr des Hesychasmus und das Schicksal des altkirchlichen Bildes vom geistlichen Vater in der russischen Orthodoxie

Antragstellerin Dr. Anna Briskina-Müller
Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251620026
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Trotz des durchaus vorhandenen Interesses der Ostkirchenhistoriker an geistlicher Vaterschaft („Starzentum“) und der hesychastischen Tradition der Ostkirche ist die entscheidende Gestalt, die hinter der Neuetablierung dieser Phänomene in der neuzeitlichen Orthodoxie stand, Paisij Veličkovskij, bisher nicht umfassend erforscht und im deutschsprachigen Raum kaum wahrgenommen worden. Die Untersuchung besteht aus zwei Teilen: 1. einem Quellenband, der die auf Kirchenslawisch verfassten Quellen in deutscher Übersetzung anbietet; und 2. einem Biographie-Band, der u.a. die gesamte Forschungsliteratur (sowohl der „russischen“ als auch der „rumänischen“ Prägung) berücksichtigt, eine Reihe von Spezialfragen beleuchtet und mit einem umfangreichen Katalog-Anhang (Auflistung von Quellen in Kirchenslawisch, Rumänisch und Griechisch samt den Informationen zu den Aufbewahrungsorten, ggfs Drucken und Übersetzungen sowie Inhaltsangaben) versehen ist. Der biographische Teil deckt u.a. eine Reihe von Fehldeutungen in Bezug auf Paisij Veličkovskijs auf wie z.B. eine Unterschätzung der Rolle der Kiewer Akademie für sein späteres Werk, die Interpretation seiner Polemik mit Atanasie Moldoveanul sowie der Episode des Hegumenats Paisijs im athonitischen Kloster Simonopetra und der Ursachen des Weggangs der paisianischen Bruderschaft vom Athos u.v.m. Näheres Hinsehen zeigt, dass Paisij entgegen der verbreiteten Meinung kaum als der Wiederbeleber des Jesus-Gebets bezeichnet werden kann, da diese Praxis in Kleinrussland, Galizien, Moldau und Walachei wohl ununterbrochen lebte. Er kann vielmehr als Lehrer des inneren ‚Tuns‘ – des Betens und Lesens – beschrieben werden. Seine auffällige Konzentration auf das innere Tun, seine (vor dem Hintergrund der sich im Ottomanischen Reich herausbildenden orthodoxen Nationalismen) einmalige übernationale Haltung, seine fast moderne Herangehensweise an die Sammlung, Analyse und Übersetzung von patristischen Texten – all dies führt nicht nur zur Frage nach seinen patristischen Quellen, sondern auch nach der seiner Umgebung, nämlich nach Europa des 18. Jhs. Ein besonderes Augenmerk gilt der Vorstellung Paisijs von der geistlichen Vaterschaft und seinem Gehorsamsverständnis. Zum Ausüben des Gehorsams schuf Paisij das System einer amtlichen (d.h. im Auftrag des Abtes zu erfolgenden), nur an Mönche adressierten Seelsorge. Dies unterscheidet sein Konzept wesentlich vom späteren charismatisch-prophetisch gedeuteten und an Laien adressierten ‚Starzentum‘ der Optina Pustyn‘. Vor dem Hintergrund seines methodisch durchdachten Vorgehens sowie der Ansätze von historisch-kritischem Denken könnte Paisij Veličkovskij als der slawische Pionier der Patrologie betrachtet werden. Sein Leben und Werk stellt ein Neudenken und -verwirklichen von Kategorien der asketischen Theologie der Alten Kirche unter den geistigen Bedingungen und vor dem historischen Hintergrund der Neuzeit dar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Auf der Suche nach der "Hesychia": Paisij Velickovskij (1722-1794) und sein Leben für die "Philokalie" (Erfurter Vorträge zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums; 12). Erfurt 2014
    Anna Briskina-Müller
  • "Habe selbst auf dich acht!" Das Motiv der Wortverweigerung und Besucherablehnung in den "Apophthegmata patrum", in: Historia magistra vitae. FS für Johannes Hofmann zum 65. Geburtstag, hg. von A. Blum und O. Petrynko. Regensburg 2015 (Eichstätter Studien; NF 76), 121-140
    Anna Briskina-Müller
  • Das neue "neue Rom": eine byzantinische Idee auf dem russischen Boden. Einige Beobachtungen zum Fortschreiben ihrer Geschichte, in: Orthodoxie im Dialog: Historische und aktuelle Perspektiven. Festschrift für Heinz Ohme zum 65. Geburtstag, hg. von R. Flogaus und J. Wasmuth. Berlin, Boston 2015, 311-336
    Anna Briskina-Müller
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110421415-018)
  • Vlijanije duha gumanizma i Prosveščenija na žizn' i trudy vospitannika Kievskoj Akademii Paisija Veličkovskogo [dt.: Die Spuren des Humanismus und der Aufklärung im Leben und Werk des Zöglings der Kiewer Akademie Paisij Veličkovskij], in: Trudy Kievskoj Duchovnoj akademii 25 (2016), 249-264
    Anna Briskina-Müller
  • Motiv preodolenija sebjaljubija v "Apoftegmata patrum" / Miłość własna na podstawie Apoftegmatów Ojców Pustzni [dt.: „Das Filautia-Motiv in den Apophthegmata patrum“], in: E-Patrologos 3'2017, 74-82 (russ.), 82-89 (poln.)
    Anna Briskina-Müller
  • Spor ob ustave meždu Paisijem Veličkovskim i Afanasiem Moldavaninom. Stranica istorii Afona i paisianskogo bratstva [dt.: Der Typikon-Streit zwischen Paisij Veličkovski und Atanasie Moldoveanul. Ein Beitrag zur Athos-Geschichte und zur Geschichte der paisianischen Bruderschaft], in: Afonskoje nasledie (The Athonite heritage), 5-6 (2017), 256-285
    Anna Briskina-Müller
  • Die Sehnsucht nach einem Vater: Die "Psychotherapie" der Ostkirche, in: Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie, hg. von G. Juckel, K. Hoffmann und H. Walach. Lengerich 2018, 43-61
    Anna Briskina-Müller
  • Ospitalità come opera spirituale. Paisij Velickovskij e la sua comunità multietnica, in: Il dono dell’ospitalità, hg. Adalberto Mainardi. Monastero di Bose, Magnano 2018, 183-200
    Anna Briskina-Müller
  • Paisij Velickovskij als Abt des Klosters Simonos Petras. Zu den Umtänden der Übersiedlung Paisijs und seiner Bruderschaft vom Berg Athos ins Fürstentum Moldau (1763), in: Ostkirchliche Studien 67 (2018), 212-236
    Anna Briskina-Müller
  • „Prilepisja vseju dušoju tvojeju čteniju knižnomu!“. Čtenije – zabytaja kategorija asketičeskogo bogoslovija prp. Isaaka Sirina, Grigorija Sinaita i Paisija Veličkovskogo“, in: Bogoslovskij vestnik 31 (2018), 93-122
    Anna Briskina-Müller
 
 

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