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Die grammatischen Fähigkeiten von Kindern mit Down Syndrom

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251688691
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt untersuchte die Sprachentwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom (DS), das neben einer geistigen Behinderung mit einer Beeinträchtigung der Sprachentwicklung einhergehen kann. Für den deutschen Sprachraum wurden erstmals quantitativ und qualitativ auswertbare Daten zu relevanten grammatischen Kernbereichen erhoben, die bei DS als besonders beeinträchtigt gelten. Für eine Kohorte von 37 Probanden mit DS (chronologisches Alter 4-19 Jahre) mit einem nonverbalen Entwicklungsalter zwischen 3 und 8 Jahren (im Mittel 4;6 Jahre), lassen sich die folgenden zentralen Ergebnisse festhalten: (1) Menschen mit Down Syndrom bilden in Bezug auf ihre sprachlichen Fähigkeiten eine sehr inhomogene Gruppe. Für alle betrachteten morpho-syntaktischen Phänomenbereiche und sowohl bei produktiven als auch bei rezeptiven Aufgaben gibt es einen erheblichen Anteil von Betroffenen, die in Relation zu ihrem kognitiven Entwicklungsalter als beeinträchtigt einzustufen sind, aber auch andere, die die überprüften Strukturen erworben haben bzw. die ihrem kognitiven Entwicklungsstand gemäß abschneiden. (2) Sprachliche Beeinträchtigungen zeigten sich sowohl bei der Flexionsmorphologie (Subjekt-Verb-Kongruenz, reguläre Partizipflexion) als auch im Bereich der Syntax bei komplexeren Satzstrukturen (w-Fragen, Passivsätze, Nebensätze). Generell entsprechen die Leistungen im Sprachverständnis häufiger dem kognitiven Entwicklungsstand als die Leistungen in der Sprachproduktion. Entgegen der gängigen Annahme in der Literatur zeigte sich aber, dass nicht nur produktive, sondern auch rezeptive grammatische Fähigkeiten bei Menschen mit DS gravierend beeinträchtigt sein können. (3) Ein qualitativer Vergleich der sprachlichen Leistungen von Kindern/Jugendlichen mit DS mit den Ergebnissen anderer sprachentwicklungsbeeinträchtigter Kinder (Kinder mit einer Spezifischen Sprachentwicklungsstörung, Kinder mit Hörschädigung) ergibt Hinweise auf syndromspezifische sprachliche Beeinträchtigungen bei Menschen mit DS. Die Daten legen für Menschen mit DS eher eine Störung des typischen Spracherwerbsverlaufs nahe als eine reine Entwicklungsverzögerung. Es ist davon auszugehen, dass der Spracherwerb in einigen Bereichen zum Erliegen kommt, bevor er abgeschlossen ist (Plateaubildung). (4) Als Einflussfaktor erwies sich für alle getesteten sprachlichen Phänomenbereiche das phonologische Arbeitsgedächtnis. Eine kausale Einflussnahme erscheint jedoch zum jetzigen Zeitpunkt wenig plausibel und wäre in zukünftigen Studien zu adressieren. Wenig prädikativ erwiesen sich Faktoren wie der Bildungsgrad der Mutter, die Menge an Sprachtherapie in Relation zum Lebensalter, das Geschlecht, das Vorliegen häufiger Ohrerkrankungen und das chronologische Alter. Mit zunehmendem mentalem Alter zeigten sich bessere rezeptive – nicht jedoch produktive –, Sprachleistungen. Allerdings entwickeln sich die Leistungen im Grammatikverständnis offenbar langsamer als die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass grammatische Fähigkeiten bei Menschen mit DS häufig beeinträchtigt sind und die Leistungen bei einer Reihe von Kindern und Jugendlichen hinter den Erwartungen für ihren kognitiven Entwicklungsstand zurückbleiben. Ein erheblicher Anteil Betroffener kann jedoch in Relation zu ihrem kognitiven Entwicklungsalter auch vergleichsweise gute grammatische Fähigkeiten entwickeln. Die Projektergebnisse, insbesondere die beobachtete Leistungsheterogenität, implizieren bei dieser Population eine genaue und umfassende Diagnostik der sprachlichen Fähigkeiten in der therapeutischen und sonderpädagogischen Förderung. Vor allem sollten Einschränkungen im Sprachverständnis, die im Projekt neben den erwarteten sprachproduktiven Problemen beobachtet wurden, sowohl in der Sprachtherapie als auch im schulischen Kontext besonders berücksichtigt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) Verbal Agreement Inflection in German Children With Down Syndrome. Journal of speech, language, and hearing research : JSLHR 61 (9) 2217–2234
    Penke, Martina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1044/2018_JSLHR-L-17-0241)
  • (2015): Projekt erforscht die grammatischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom. Leben mit Down-Syndrom, 78, 24
    Witecy, B.; Penke, M. & Wimmer, E.
  • (2015): Sprachverstehen bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom: Charakteristische Probleme sowie Empfehlungen für den Umgang in Schule und Praxis. Sprachförderung und Sprachtherapie in Schule und Praxis, 4, 225-231 [Nachdruck in: Leben mit Down-Syndrom, 82, 27-32]
    Witecy, B.; Szustkowski, R. & Penke, M.
  • (2016): Das Verhältnis von Sprache und Kognition bei deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom. Sprache Stimme Gehör, 40 (2), 93-99
    Witecy, B. & Penke, M.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1055/s-0041-105898)
  • (2017): Language comprehension in children, adolescents, and adults with Down syndrome. Research in Developmental Disabilities, 62, 184-196
    Witecy, B. & Penke, M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ridd.2017.01.014)
  • (2017): Wen kämmt der Junge? – Eine Studie zum Verständnis von w-Fragen bei Kindern mit Down-Syndrom. Forschung Sprache, 5 (2), 114-128
    Wimmer, E.
 
 

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