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Der Tatbegriff im Strafrecht
Antragstellerin
Professorin Dr. Frauke Meta Rostalski
Fachliche Zuordnung
Strafrecht
Förderung
Förderung von 2013 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251703360
Der Begriff der Straftat bildet Kern und Grundlage der Strafrechtsdogmatik. Die Verbrechenslehre rankt sich um ihn als sinnstiftendes Prinzip, dessen Zweck nicht zuletzt in der Systematisierung des materiellen Strafrechts liegt. Die hohe Bedeutung für die Lösung sämtlicher Einzelfragen des materiellen Strafrechts liegt auf der Hand. Umso wichtiger ist es, ein stimmiges Konzept aufzuweisen - als Handwerkszeug des Strafrechtswissenschaftlers im Umgang mit den rechtlichen Fragestellungen seiner Zeit. Vorzugswürdig ist ein funktionaler Tatbegriff, der der Erkenntnis Rechnung trägt, dass sich die straftheoretischen Grundlagen in den Straftatelementen fortsetzen. Maßgebliche Straftatkategorie ist sonach das verschuldete Unrecht verstanden als Verhaltensnormverstoß des Normadressaten bei Vorliegen der Fähigkeit zum Andershandeln. Allein dem normativen/funktionalen Tatbegriff gelingt der erstrebenswerte Gleichklang von Stoff (materialen Grundkategorien) und Form. Der Tatbegriff weist einheitliche Geltungskraft im materiellen Straftat- und Strafzumessungsrecht sowie im Strafprozessrecht auf. Demgegenüber wird der prozessuale Tatbegriff in Literatur und Rechtsprechung mehrheitlich vorwiegend naturalistisch bestimmt. Verbleibende Unstimmigkeiten können so nicht selten lediglich unter Heranziehung materieller Gerechtigkeitserwägungen gelöst werden; eine klare Konzeption bleibt dabei auf der Strecke. Der von vielen empfundene Gegensatz von formeller und materieller Gerechtigkeit erweist sich bei Lichte besehen aber als nur scheinbarer: Bei zutreffender Ausfüllung des Tatbegriffs, die von Art. 103 Abs. 3 GG gerade nicht vorgegeben ist, anhand normativer Kriterien gelingt die Einheit von formeller und materieller Gerechtigkeit vielmehr bruchlos. Für die Richtigkeit eines solchen Vorgehens streitet nicht zuletzt die straftheoretische Grundkonzeption, nach der Verhaltensnormverstöße zur Wiederherstellung des Rechts eines Ausgleichs im Wege der Ahndung bedürfen. Formale Anforderungen dürfen dem nicht entgegenstehen und tun dies nach dem hier zugrundegelegten Verständnis von Art. 103 Abs. 3 GG auch nicht. Diesem Verständnis der prozessualen Tat stehen nicht die Regeln der Konkurrenzlehre in §§ 52, 53 StGB entgegen. Deren naturalistische Blickrichtung ist ihrerseits entschieden abzulehnen, sodass sich daraus erst recht kein Rückschluss auf die zutreffende Bestimmung des (prozessualen) Tatbegriffs ziehen lässt. Zuletzt vermögen prozessökonomische Erwägungen nichts an der Richtigkeit des hiesigen Tatbegriffsverständnisses zu ändern. Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime treten in ihrem Rang hinter dem Anklagegrundsatz zurück, dem allein das normative Verständnis der Tat die ihm zustehende Geltung in der strafprozessualen Konzeption des Gewaltenverhältnisses garantiert. Der normative Tatbegriff überzeugt darüber hinaus im grenzüberschreitenden Bereich. Mit seiner Hilfe kann dem Grundsatz des ne bis in idem internationale Geltung verschafft werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen