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Transition Processing Pädagogische Rationalitäten in personenbezogenen Dienstleistungen zur Begleitung und Beratung von Übergängen in Arbeit

Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251940066
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im DFG-Projekt Transition Processing wurden grundlagentheoretische Erkenntnisse zu feldspezifischem Wissen über Übergänge in Arbeit und der Bedeutung der reflexiven Bezugnahmen in der Übergangsberatung gewonnen. Ziel des Grundlagenforschungsprojekts war es, Formen des Prozessierens von Übergängen in Arbeit durch soziale Beratungsdienstleistungen zu untersuchen und den darin eingelagerten pädagogischen Rationalitäten nachzugehen. Im Rahmen einer sogenannten Feldanalyse wurden hierzu mittels diskurs-, markt- und sekundäranalytischer Zugänge grundlegende Rationalitäten der aktuellen gesellschaftlichen Konstruktion von Übergängen in Arbeit identifiziert. Die Analyse zeigt, dass Beratung bei der Gestaltung zunehmend unsicherer Übergänge eine zentrale Steuerungsfunktion zugesprochen wird, die mit einer allumfassenden Machbarkeitsunterstellung verknüpft ist. Erfolgreiche Übergänge werden hierbei als gelingende Matching-Prozesse zwischen Person und Arbeitsmarkt konstruiert. Mit der Institutionalisierung von Übergängen durch Beratung wird die Verantwortung für gelingende Übergänge in Arbeit jedoch zugleich individualisiert, indem die Ratsuchenden selbst für eine gelingende Prozessierung ihrer je eigenen Übergänge verantwortlich gemacht werden. Außerdem wurden in fünf unterschiedlichen Handlungsfeldern (Berufsorientierung an Schulen, Maßnahme für Early School Leavers, Berufsberatung der Agentur für Arbeit, Transfergesellschaft und Coaching für qualifizierte Erwerbstätige) mittels Ethnografie, Gesprächsanalysen, Expert*inneninterviews und biografischen Interviews mit Adressat*innen Fallanalysen durchgeführt. Analytisch lassen sich folgende Dimensionen der Übergangskonstruktion unterscheiden, die sich in unterschiedlicher Ausprägung und Deutlichkeit prinzipiell in allen Fällen finden. Besonders am Fall der Berufsorientierung an Schulen wurde sichtbar, dass und wie Übergänge als Differenzkategorie je nach Schultyp bzw. Abschluss unterschiedlich konstruiert werden. Während Übergänge auf Gymnasialniveau scheinbar selbstgängig erfolgen und keiner weiteren Prozessierung bedürfen, zielt Beratung auf Realschulniveau auf die Bearbeitung von Nicht-Wissen, um Matching zu ermöglichen. Auf Hauptschulniveau beinhaltet Beratung dagegen eher die erzieherische Unterstützung und Kontrolle des praktischen Tuns. Im Fall der Berufsberatung der Agentur für Arbeit sind Übergänge und ihre Bewältigung als institutionalisiertes Konstrukt eng mit Vorstellungen eines jugendlichen Normallebensverlaufs gekoppelt. Dabei wird insofern eine zeitliche Dimensionierung der Prozessierung des Übergangs deutlich, indem Beratung sowohl zur Entschleunigung, nämlich dann, wenn nach der institutionalisierten Ablauflogik bestimmte Übergangsentscheidungen noch gar nicht anstehen, als auch zur Forcierung, wenn laut Normallebenslauf bestimmte Entscheidungen ausstehen, beiträgt. Die Übergangsentscheidung wird jedoch letztendlich stets als individualisiert gerahmt und Eigenverantwortlichkeit zugeschrieben. Hier lassen sich Parallelen zum Fall der Early School Leaver und zur Prozessierung von Übergängen als Normalisierungskonstrukt aufzeigen. Den Jugendlichen wird hier die Eigenverantwortlichkeit nahezu komplett aberkannt. Vielmehr wird hier generell von misslungenen Übergängen ausgegangen, die durch ein engmaschiges System wieder ‚korrigiert‘ werden müssen. Die Funktion der Normalisierung zeigt sich sowohl in der Erfassung der ‚problematischen‘ Fälle als auch in der direkten Form der Beratung, in denen kleinteilige alltägliche Arbeitsaufträge erteilt und deren Erfüllung überprüft werden. Deutlich andere Formen der Konstruktion und Prozessierung von Übergängen finden wir in den Feldern, in denen es um die Gestaltung von Übergängen im Erwachsenenalter geht. V.a. in der arbeitsmarktpolitischen Maßnahme der Transfergesellschaft lassen sich Konstruktionen von Übergängen als Moratorium der Umorientierung und des Umlernens identifizieren. Organisational wird ein ‚doppelter Raum’ konstituiert, der nach außen den institutionellen Anforderungen des Arbeitsmarktes und des sozialpolitischen Auftraggebers entspricht, nach innen eine gemeinschaftliche Arbeitsbeziehung zwischen Adressat*innen und Berater*innen inszeniert. Die Beratung zielt insgesamt auf einen reflexiven Prozess der Herstellung von Passung, der letzten Endes eine Entscheidung ermöglicht, die individuell zugeschrieben werden kann. Noch deutlicher ist dies in der Konstruktion des Übergangs als fortlaufendem Prozess im Fall von Coaching, in dem sich Beratung als kontinuierliche prozessbezogene Optimierung konstituiert, die sich nicht auf die Bewältigung von Statuspassgen bezieht, sondern darauf zielt, die Adressat*innen in die Lage zu versetzen selbst Veränderungen herbeizuführen. Dabei zeigt sich eine enge Verschränkung der Übergangskonstruktion mit den Selbsterhaltungsdynamiken der Trägerorganisation, die auf weiterführende Beratungsaufträge angewiesen ist. Insgesamt zeigen die Forschungsbefunde, dass unterschiedliche Formen des Prozessierens von Übergängen eng mit der spezifischen Konstruktion des Übergangs und den Besonderheiten der organisationalen und institutionellen Rahmung der Beratung verknüpft sind. Dies hat konkrete Auswirkung auf Zugangs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Adressat*innen zu Beratungsangeboten, die gerade durch die jeweiligen Prozessierungsformen als spezifische Angebote hergestellt werden. Die Analysen machen jedoch auch deutlich, dass keine reflexive Auseinandersetzung mit dieser fallspezifischen Konstruktion von Übergängen erfolgt.

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