Aufklärung selektivitätsbestimmender Eigenschaften von Proteinen mit konservierter Bindetasche
Biochemie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der Arzneistoffentwicklung ist es ein wichtiges Ziel, selektive Arzneistoffe zu entwerfen. Das heißt, der Arzneistoff soll nur an die gewünschte Zielstruktur binden, nicht aber an verwandte Strukturen. Das ist eine große Herausforderung, vor allem wenn die Bindetaschen der Zielstrukturen und Nicht-Zielstruktur konserviert sind. Die Erfahrung hat gezeigt, dass selbst für solche schwierigen Fälle selektive Liganden gefunden werden können. Allerdings können diese nicht rational entworfen werden, sondern müssen durch ein aufwendiges Verfahren aus Synthese und anschließender Testung hergeleitet werden. Der Grund dafür ist, dass es nicht ausreichend verstanden ist, was von einem energetischen Gesichtspunkt her die treibende Kraft für die selektive Ligandbindung ist. Dies sollte in dem durchgeführten Projekt näher untersucht werden, um unsere molekulares Verständnis auf diesem Gebiet zu verbessern. Der Fokus dieser Arbeit wurde auf ein Modellsystem zweier gut untersuchter, essentieller eukaryotischer Enzyme gelegt, welche den Transfer einer Fettsäure auf verschiedene Substrate katalysieren - die N-Myristoyltransferasen (NMT) von dem Krankheitserreger Leishmania major (LmNMT) und das humane Homolog HsNMT1. Beide Enzyme weisen eine Sequenzidentität von nur etwa 40% auf, allerdings sind die Bindetaschen hochkonserviert. Bislang wurden viele nicht selektive und einige wenige selektive NMT-Inhibitoren identifiziert. Zu Beginn der Arbeit war es aber unklar, was die molekularen Ursachen der selektiven NMT-Inhibierung waren. Um dies aufzuklären, wurde eine Kombination aus molekularbiologischen, biochemischen, rechnergestützten und biophysikalischen Methoden eingesetzt. Dadurch wurden zwei unterschiedliche selektivitätsbestimmende Ursachen identifiziert und mittels zielgerichteter Mutagenese validiert. Zum einen haben wir herausgefunden, dass die Einschränkung der Proteinflexibilität einer Seitenkette zur Selektivität einer Verbindung beiträgt. Dieses Ergebnis war sehr überraschend, da der Ligand keine direkten Wechselwirkungen mit dieser Seitenkette eingehen. Zum anderen haben wir ein Wassermolekül identifiziert, dessen Verdrängung zur Selektivität einer anderen Verbindungsreihe beiträgt. Diese Erkenntnis wurde im Anschluss genutzt, um gezielt selektive Liganden für NMT zu entwerfen. Die durchgeführte Studie lieferte wertvolle Erkenntnisse für den strukturbasierten Entwurf von selektiven Liganden. Zum einem haben wir gezeigt, dass auch Seitenketten, die vom Liganden wegorientiert sind, zur Selektivität beitragen können. Uns ist keine andere Studie bekannt, in der ein solcher Mechanismus gefunden wurde. Zum anderen können die Ergebnisse ganz konkret zum selektiveren Entwurf von NMT-Inhibitoren beitragen. Unseres Wissens ist es hier das erste Mal gelungen, einen NMT-Inhibitor mit dem gewünschten Selektivitätsprofil gezielt zu entwerfen. Da NMT eine vielversprechende Zielstruktur für eine Reihe von Erkrankungen ist, selektive Liganden bisher aber nur durch Versuch und Irrtum gefunden wurden, werden diese Ergebnisse vermutlich dazu beitragen, die Arzneistoffentwicklung auf diesem Gebiet zu beschleunigen. Letztlich kann unser Ansatz auch generell als Anleitung dienen, wie selektivitätsbestimmende Eigenschaften in Proteinen mit konservierten Bindetaschen aufgefunden werden und die Erkenntnisse dann für den Entwurf von selektiven Liganden genutzt werden können.