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Italienische Spuren in der wettinischen Musikpflege des 16. Jahrhunderts

Antragsteller Dr. Michael Chizzali
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 255039864
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgehend von dem Musikleben an ausgewählten wettinischen Hofhaltungen unternimmt das Projekt den Versuch, einen kulturgeschichtlichen Abriss der Rezeption italienischer Musik im mitteldeutschen Raum des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts zu skizzieren. Hierbei kristallisierten sich fünf Arbeitsfelder heraus, die den personellen, materiellen und immateriellen Transfer (u.a. Musikermigration, Musikalien, Instrumente, Aufführungspraxis) ebenso in den Fokus nahmen wie Rekontextualisierungsprozesse auf werk- und theorieimmanenter Ebene (u.a. Nachdruck, Zitattechnik, intertextuelle Verfahren, Arrangement, Neukomposition). In gattungs- und stilgeschichtlicher Hinsicht konnte eine bislang eher peripher diskutierte Relevanz des leichteren Kanzonen- und Kanzonettenrepertoires, aber auch des Madrigals für die mitteldeutsche Musikpflege ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fassbar gemacht werden. Antonio Scandello (1517–1580), der erste italienische Hofkapellmeister am Dresdner Hof, wirkt pionierhaft in Bezug auf die "italienische" Rhythmisierung deutscher Texte, die sich in der Folge zu einem beliebten, nicht nur im höfisch-weltlichen Bereich gepflegten Standard entwickeln sollte. Mit den zwischen 1576 und 1598 veröffentlichten Kontrafaktur-Sammlungen (die insgesamt ca. 100 geistlich unterlegte Kanzonen, Kanzonetten und Madrigale enthalten) gelingt es dem Erfurter Drucker Georg Baumann d. Ä. (aktiv von 1557 bis 1599) mit Erfolg, ein exklusives Repertoire einem breiteren, im außerhöfischen und insbesondere schulpädagogischen Milieu verorteten Musikpublikum aufzubereiten. Den untersuchten Quellen nach zu urteilen, sind für die Rezeption aus Italien kommender Musik im mitteldeutschen Raum der Zeit zwei Charakteristika grundlegend: Einerseits ein die Musik verabsolutierender Enthusiasmus im Hinblick auf die "Suavitas" italienischer Gesänge, der nicht nur am kulturdynamisch prosperierenden Hof, sondern auch in konservativeren Umfeldern wie im bürgerlichen und niederadeligen Ambiente vorzufinden ist. Und zum anderen die Permanenz des lokalen protestantischen Horizonts, die insbesondere an den führenden Höfen kulturpolitische Hintergründe haben kann, aber auch in pragmatische und persönliche Kontexte eingebunden ist. Von den wettinischen Höfen ist es vor allem der kurfürstliche Hof in Dresden, der bei diesen Prozessen als Scharnier bzw. Katalysator wirkt: Als Gefolgsleute des Kaisers stehen die Albertiner unter unmittelbarem Eindruck des italophilen habsburgischen Kaiserhofes, wobei sie bisweilen auch selbst musikkulturell singuläre Initiativen (wie etwa die Reisen von Dresdner Kapellmusikern um 1600 nach Florenz) ergreifen. Die Fülle der im Projekt abgehandelten Fallbeispiele und ihre jeweils sehr speziellen Umstände der Rezeption bilden mustergültig die pluralistische Welt der musikalischen Spätrenaissance ab und sind geeignet, das in der Frühneuzeitforschung kontrovers diskutierte Kulturtransfer-Modell sowie den kohärenten Kultur-Begriff kritisch zu hinterfragen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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