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Compliance in Practice. Unternehmerische Anpassungsprozesse an Kriminalisierungsverläufe (am Beispiel des sog. Pharmamarketings)

Fachliche Zuordnung Kriminologie
Strafrecht
Förderung Förderung von 2014 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 255711679
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Frage, ob gegen Unternehmensmitarbeiter gerichtete Strafnormen bei der Unternehmensregulierung „wirksam“ sind und ob sich die Einrichtung von Compliance Management Systemen (CMS) mit Blick auf die Unternehmenskonformität als „effektiv“ erweist, wird durch die bislang vorliegende Forschung uneinheitlich beantwortet. Dass (bzw. unter welchen Voraussetzungen) außen- und binnenregulatorische Maßnahmen tatsächlich die jeweils erwünschten Anpassungsprozesse in den Unternehmenspraktiken auslösen, ist deshalb weitgehend unklar. Deshalb ging die Studie dieser Problematik in einem speziellen Wirtschaftssektor nach. Sie konzentrierte sich ganz auf die pharmazeutische Branche und speziell auf deren Außendienst, mit dem sich ein sich forschungspraktisch dezidiert anbietendes Feld konstituierte. Einerseits konnte hier nämlich eine ursprünglich hohe Verbreitung von korruptiven oder doch korruptionsnahen Praktiken gezeigt werden, andererseits schlug sich hier jüngst aber auch eine hohe regulatorische Regsamkeit in neuen außer-/strafrechtlichen Vorgaben, Branchenkodizes und der weiten Verbreitung unternehmenseigener CMS nieder. Bei der Untersuchung etwaiger Regulierungsfolgen (insbesondere: einer etwaigen Korruptionsabnahme) richtete die Studie – und in dieser methodischen Ausrichtung liegt zweifellos eine Besonderheit – ihren Aufmerksamkeitsschwerpunkt auf die operative Unternehmensebene (d.h. auf das Geschehen „an der Front“). Ihren Schwerpunkt bildete die Praxis „einfacher“ Außendienstmitarbeiter, der vornehmlich mit Mitteln der qualitativen Sozialforschung nachgegangen wurde. Die zentrale, hierbei gemachte Beobachtung besteht darin, dass die Arzneimittelindustrie auf ihre ökonomisch uninteressant und obendrein auch strafbar gewordenen Marketing-Techniken zusehends verzichtet und diese Praxis durch wirtschaftlichere und legale Methoden ersetzt, die allerdings das ärztliche Verhalten in gleicher Weise lenken und von nur-fachlichen Entscheidungskriterien ablösen sollen. Diese neue Marketingrealität verfolgt (ebenso wie die frühere Marketing-Wirklichkeit) ausschließlich den Zweck, das Verordnungsgeschehen möglichst optimal auf die Umsatz- und Ertragsinteressen des jeweiligen Unternehmens auszurichten – unabhängig davon, ob und in welchem Maße sich dieses Partikularinteresse auch mit dem gesellschaftlichen Interesse an einer medizinisch sachgerechten, ausreichenden und wirtschaftlichen Medikationspraxis (§ 12 SGB V) tatsächlich trifft. Die Veränderung, die hier im Feld ausgemacht werden muss, liegt also in einem Ausbau funktionaler Äquivalente, die ungeachtet ihrer Legalität nicht minder problematisch als die aufgegebenen Verfahrensweisen sind. Aus kriminologischer Warte können darin Ausdrucksformen von institutioneller Korruption gesehen werden. Wenn das heutige Pharmamarketing als „formal-compliant“ gelten kann, so ist damit also allenfalls etwas für die Haftungssituation der Unternehmen erreicht, aber nur wenig für die betroffenen Gemeinwohlbelange.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017) Unternehmenskriminalität und (Selbst-)Regulierung. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 100 (6) 430–452
    Kölbel, Ralf
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/mks-2017-1000602)
  • Korruption im Gesundheitswesen. Kriminologische Vorüberlegungen zur Einführung von § 299a StGB n.F., in: AG Medizinrecht im DAV/IMR (Hrsg.): Aktuelle Entwicklungen im Medizinstrafrecht, Nomos Verlag Baden-Baden, 2015, S. 57 – 74
    Ralf Kölbel
  • (Begrenzte) Unternehmerische Anpassung an Regulierungsverläufe, in: Neubacher, F. (Hrsg.): Krise, Kriminalität, Kriminologie, Forum Verlag Mönchengladbach, 2016, S. 317 – 326
    Ralf Kölbel
  • Institutionelle Korruption im Pharmavertrieb, in: Kubiciel, M./Hoven, E. (Hrsg.): Korruption im Gesundheitswesen, Nomos Verlag Baden-Baden, 2016, S. 193 – 222
    Kölbel/Herold/Lubner
  • Strafrecht, Compliance, Pharmamarketing. Kriminologische Beobachtungen anlässlich der neuen §§ 299a ff. StGB, in: ZIS 2016, 452 – 466
    Ralf Kölbel
  • §§ 299a ff. StGB und die unzuträgliche Fokussierung auf den Wettbewerbsschutz, in: medstra 2016, S. 193 – 194
    Ralf Kölbel
  • Compliance und institutionelle Korruption im Pharmavertrieb, in: Gesundheitsrecht 2018, S. 11 – 16
    Ralf Kölbel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.9785/gesr-2018-0107)
  • Interessenkonflikte und Korruption in der Kooperation von Leistungserbringern, in: Lieb, K./Klemperer, D./Kölbel, R./Ludwig, W.-D. (Hrsg.): Interessenkonflikte, Korruption und Compliance im Gesundheitswesen, MWV Berlin, 2018, S. 91 - 98
    Herold
  • Was ist Korruption?, in: Lieb, K./Klemperer, D./Kölbel, R./Ludwig, W.-D. (Hrsg.): Interessenkonflikte, Korruption und Compliance im Gesundheitswesen, MWV Berlin, 2018, S. 27 - 34
    Ralf Kölbel
  • Institutionelle Korruption und Arzneimittelvertrieb, Springer-Verlag Berlin, 2019. VI, 355 S.
    Ralf Kölbel (Hrsg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-662-57416-4)
 
 

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