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Protest-Hybride. Zur Relevanz von Spaß und hedonistischen Motiven bei Protestereignissen und daraus resultierende Spannungsfelder

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 256190620
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ausgehend von der Feststellung eines instrumentellen Bias in der Protest- und soziale Bewegungsforschung haben wir im Forschungsprojekt „Protest-Hybride“ zwei Ziele verfolgt. Erstens sollte die Bedeutung von Hedonisierung, Verspaßung und Eventisierung von Protestereignissen anhand ausführlicher Fallstudien beschrieben werde. Zweitens sollten – anknüpfend auf theoretische Vorüberlegungen aus dem Eventisierungsdiskurs – exemplarisch hybride Protestformen mit Charakteristika sowohl von Protest als auch von Vergnügen versprechenden Events als Beispiele für ‚hybride Events‘ untersucht werden. Grundlage für die Rekonstruktion war ein umfassender Datenkorpus aus Mobilisierungsdokumenten, Interviews mit Organisierenden, Gruppeninterviews mit Teilnehmenden und Feldnotizen aus teilnehmenden Erhebungen. Entgegen dem Eindruck aus dem Forschungsstand zu Emotionen bei Protest und sozialen Bewegungen konnten wir feststellen, dass Freude und Vergnügen nicht ausschließlich funktional erlebt werden. Über eine instrumentelle Bedeutung sowohl bei der Mobilisierung als auch inszenatorisch gegenüber der beobachtenden (medialen) Öffentlichkeit hinaus wird Vergnügen auch in seinem Selbstzweck bzw. als Wert an sich erlebt, dient der positiven Einbindung in eine Gemeinschaft und befördert Gefühle der Zugehörigkeit. Zum Erleben von Vergnügen tragen dabei insbesondere Gemeinschaft, Atmosphäre und Transzendenzerfahrung bei. Erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Fallbeispielen konnten wir zu Spannungsverhältnissen feststellen, die entstanden, wenn kurzfristig erlebtes Vergnügen und auf in die Zukunft gerichtete, zum Teil langfristige Ziele und Utopien in einem Ereignis verschränkt sind. Ausgehend von unserer empirischen Arbeit sowie im Anschluss an Diskussionen während einer Tagung im April 2016 haben wir uns intensiv theoretisch wie begrifflich mit dem Hybridkonzept sowie hybriden Events als Beispiel für hybride soziale Phänomene befasst. Als hybrid bezeichnen wir solche Events, die aus der je in Frage stehenden Perspektive (z.B. von Feldakteuren oder Analysierenden) heraus betrachtet in ihrem konstitutiven Kern aus augenfälligen Kombinationen von Elementen bestehen, die als verschiedenen kulturellen Bereichen zugehörig angesehen werden. Dabei konnten wir als mögliche Herangehensweisen zu hybriden Phänomenen einen heuristischen, einen empirisch-rekonstruktiven sowie einen theoretisch-idealtypischen Zugang herausarbeiten. Über die ursprünglichen Fragestellungen des Forschungsprojektes hinaus ergaben sich zudem interessante Erkenntnisse aus religionssoziologischer Perspektive. Sowohl die formale Nähe, als auch die inhaltlichen Parallelen und die Nähe der rekonstruierten Phänomene zu religiösen Phänomenen sowie zu soziologischen Religionsdefinitionen eröffnen die Frage, ob (bestimmte) soziale Bewegungen in unserer Gegenwart als (Quasi-)Religion, als neue religiöse Bewegung oder als Religionsäquivalent gedeutet werden können. Dieser Frage wird in einem in Vorbereitung befindlichen weiteren Forschungsprojekt nachzugehen sein.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): Spaß macht mobil. Positive Emotionen bei rezenten Protestereignissen. In: Rössel, Jörg/Roose, Jochen (Hg.): Empirische Kultursoziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 243-263
    Betz, Gregor J./Hitzler, Ronald
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-08733-3_9)
  • (2016): Alltäglichkeit des Außeralltäglichen? Anthropologische, historische und zeitdiagnostische Bemerkungen zur Eventisierung. In: Sozialmagazin 5-6, S. 7-13. [Zugleich in: von der Heyde, Judith/Kotthaus, Jochem (Hg.): Wettkampf im Fußball ... Weinheim/Basel, S. 16-26.]
    Betz, Gregor J./Eisewicht, Paul/Niederbacher, Arne
  • (2016): Sequenzanalytische Bildhermeneutik. In: Burzan, Nicole/Kirschner, Heiko/Hitzler, Ronald (Hg.): Materiale Analysen. Wiesbaden: Springer VS, S. 263-288
    Betz, Gregor J./Kircher, Babette
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-12614-8_14)
  • (2016): Vergnügter Protest. Erkundungen hybridisierter Formen kollektiven Ungehorsams. Wiesbaden: Springer VS
    Betz, Gregor J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-11416-9)
  • (2017): Hybride Events. Zur Diskussion zeitgeistiger Veranstaltungen. Wiesbaden: Springer VS
    Betz, Gregor J./Hitzler, Ronald/Niederbacher, Arne/Schäfer, Lisa (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-16825-4)
  • (2017): Hybride Phänomene als Spielfelder des Neuen. Wissenssoziologische Überlegungen am Beispiel Hybrider Events. In: Burzan, Nicole/Hitzler, Ronald (Hg.): Theoretische Einsichten. Im Kontext empirischer Arbeit. Wiesbaden: Springer VS, S. 89-102
    Betz, Gregor J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-16750-9_6)
  • (2017): Protestainment. Bedeutungswandel von Unterhaltungselementen bei der Protestmobilisierung an den Beispielen Energiewendeprotest und 1. Mai. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Heft 4/2017, S. 109-115
    Betz, Gregor J./Windhofer, Friederike/Hitzler, Ronald
  • (2018): Idealtypologie der Zwischenräume. Typenbildung hybrider Graubereiche am Beispiel inszenierter Ereignisse. In: Burzan, Nicole/Hitzler, Ronald (Hg.): Typologische Konstruktionen. Prinzipien und Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS, S. 95-111
    Betz, Gregor J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-21011-3_6)
  • (2018): Missionierungsevents. Zeitdiagnostisch-religionssoziologische Überlegungen zur Diffusion alternativer Konsum- und Handlungsmuster. In: Kannengießer, Sigrid/Weller, Ines (Hg.): Konsumkritische Projekte und Praktiken. München: Oekom, S. 161-176
    Betz, Gregor J.
 
 

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